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Politik: Wie gefährlich war Murat Kurnaz?

Bremer Verfassungsschutz-Chef sagt vor dem BND-Untersuchungsausschuss aus / Kritik am Behördenleiter in der Hansestadt

Berlin/Bremen - Der SPD-Obmann im BDN-Untersuchungsausschuss, Thomas Oppermann, hat schwere Vorwürfe gegen den jahrelang in Guantanamo festgehaltenen Murat Kurnaz erhoben. „Die Verdachtsmomente, dass er in Afghanistan mit den Taliban kämpfen wollte, sind bis heute nicht widerlegt“, sagte Oppermann am Mittwoch. Kurnaz habe durch sein eigenes Verhalten „ganz erheblich dazu beigetragen“, dass die Behörden zu der Bewertung kommen mussten, er sei ein Sicherheitsrisiko. Den Verdacht gegen den Bremer Türken belegten rund zehn Tatsachen und Indizien, die von Zeugen und nicht vom Hörensagen stammten. Oppermann wies darauf hin, dass für eine Gefahrenabwehr nach dem Ausländerrecht eine geringere Beweisdichte verlangt werde als für eine Verurteilung vor Gericht. Es bestehe nicht der geringste Zweifel daran, dass Kurnaz in strafrechtlichem Sinne unschuldig sei.

Auskunft über die Verdachtsmomente erhofft sich der Untersuchungsausschuss am heutigen Donnerstag unter anderem von der Vernehmung des Leiters des Bremer Landesamtes für Verfassungsschutz, Walter Wilhelm. Der Behördenleiter sieht sich in seiner Heimatstadt mit Kritik konfrontiert. Neben Wilhelm sagen der Leiter des Bundesamtes für Verfassungsschutz, Heinz Fromm, ein Beamter des Bundesinnenministeriums sowie ein Bremer Staatsanwalt aus, der ein Ermittlungsverfahren gegen Kurnaz einstellte. Der Innenministeriumsbeamte hatte 2002 einen Vermerk angefertigt, wonach der Aufenthaltstitel des nichtdeutschen Guantanamo-Häftlings Kurnaz vernichtet werden sollte.

Gegen Wilhelm hatten Verfassungsschützer vor dem Geheimdienst-Kontrollgremium der Bremischen Bürgerschaft Vorwürfe erhoben. So soll der Behördenleiter einen als unzuverlässig geltenden V-Mann, der den Spitznamen „Lügenbaron“ trug, nach dessen Abschaltung reaktiviert haben. Mit dem Fall Kurnaz hatte der umstrittene V-Mann aber offenbar nichts zu tun.

Bremens Innensenator Thomas Röwekamp (CDU) hatte Ende 2005 Material gesammelt, um auf Wunsch des Bundesinnenministeriums zu klären, ob Kurnaz nach einer Entlassung aus Guantanamo aus Deutschland ausgewiesen werden könnte. Wilhelm steuerte dazu die Auskunft bei, Kurnaz habe 2001 einem Bremer Moschee-Vorbeter telefonisch seinen „unmittelbar bevorstehenden Einsatz in Afghanistan, unter Führung der Taliban“ angekündigt. Wilhelm versah seine Erkenntnisse mit dem Hinweis, sie seien zwar „vorhaltbar“, aber „nicht unmittelbar beweisbar“. Auch die Polizei konnte keine Ausweisungsgründe beisteuern. Fazit des Innensenators: Bei Kurnaz sei zwar eine „radikale Islamisierung“ belegbar, aber kein Terrorverdacht. Die Bremer Geheimdienst-Kontrollkommission hatte kürzlich alle Kurnaz-Akten gesichtet und dabei keine Terrorismusbelege gefunden. Zumindest in den Abhörprotokollen fand sich demnach kein Hinweis darauf, dass der 19-Jährige gegenüber seinem Vorbeter einen Taliban-Einsatz angekündigt hatte.

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