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Der Bundestag: Wie viele Abgeordnete ziehen im Herbst hier ein?

© imago/Metodi Popow

Wie groß wird der nächste Bundestag?: Neue Prognose liegt bei 676 Mandaten

Weiterhin viele Überhang- und Ausgleichsmandate: Trotz "Schulz-Effekt" - die SPD ist noch nicht stark genug für einen Umschwung bei den Direktmandaten.

In die Umfrage-Ergebnisse ist nach der Nominierung von Martin Schulz als Kanzlerkandidat Bewegung gekommen – aber Experten sehen die SPD noch nicht stark genug, um der Union bei der Bundestagswahl am 24. September in größerem Umfang Direktmandate wegzunehmen. Das bedeutet aber: Die Zahl der Überhangmandate wird nach derzeitigem Ermessen relativ groß sein, und damit auch der Ausgleichsbedarf durch zusätzliche Mandate. Nach der aktuellen Prognose des Hamburger Wahlinformationsdienstes „election.de“ können die Sozialdemokraten im Vergleich zur Januar-Berechnung zwar 28 Wahlkreissieger mehr stellen. Hier schlägt der „Schulz-Effekt“ durch.

Doch da das nicht quer durch ganz Deutschland gilt, vor allem nicht im Osten und in Bayern, rechnet der Chef von „election.de“, Matthias Moehl, weiterhin mit 27 Überhangmandaten der Union – 24 davon für die CDU, drei für die CSU. Im Januar lautete die Prognose: 28 Überhangmandate für die CDU, eines für die CSU. Wegen der zwei weiteren Überhangmandate in Bayern wird der Ausgleichsbedarf aber stärker – Überhänge der Regionalpartei CSU müssen mit erheblich mehr Mandaten ausgeglichen werden als die der CDU (und nur aus den Ergebnissen der Union resultieren  derzeit Überhangmandate). Solche Mandate entstehen immer dann, wenn eine Partei in einem Bundesland mehr Direktmandate über die Erststimmen gewinnt als ihr insgesamt nach den Zweitstimmen an Sitzen zustehen würde. Seit der Wahlrechtsreform von 2012 werden diese Überhangmandate durch zusätzliche Sitze ausgeglichen, so dass am Ende der bundesweite Parteienproporz im Bundestag abgebildet wird.

Schwächere CSU = mehr Ausgleichsbedarf

Aufgrund seiner Berechnungen, die sich an den aktuellen Umfragewerten orientieren, erwartet Moehl derzeit eine Bundestagsgröße von 676 Abgeordneten. Im Januar waren es 672 Sitze. Damit ist zwar weiterhin die oft genannte „Aufblähung“ des Parlaments auf mehr als 700 Mandate nicht im Bereich des Wahrscheinlichen, dennoch dürfte die nach wie vor hohe Zahl – aktuell hat der Bundestag 630 Abgeordnete – den Druck auf die Fraktionen erhöhen, zumindest eine leichte Deckelung zu vereinbaren. Ein Vorschlag der Unions-Fraktion stößt bei SPD, Linken und Grünen jedoch nicht auf Gegenliebe, weil er den Parteienproporz verzerren könnte – zugunsten von CDU und CSU. Eine Wahlrechtsreform dürfte es erst in der kommenden Legislaturperiode geben.

Die nach wie vor hohe Zahl führt Moehl vor allem auf seine Prognose für Bayern zurück. Er setzt das CSU-Ergebnis bei 42 Prozent an, das der Landes-SPD bei 20 Prozent. „Die SPD ist in Bayern aktuell trotz des Schulz-Effekts nicht stark genug, um Direktmandate holen zu können“, sagt er. Wie stark Überhänge der CSU den Bundestag vergrößern, zeigt die Simulation mit einem Mandat weniger: Dann wären es laut Moehl 668 Sitze, also acht weniger.

Der strukturelle Grund für die vielen Überhangmandate der CDU liegt nach Angaben des Wahlexperten darin, dass die Union vor allem in Sachsen-Anhalt, Sachsen, Thüringen und Baden-Württemberg „sehr weit“ vor der SPD liegt. „Die SPD hat bei einem bundesweiten Rückstand von aktuell fünf bis zehn Prozentpunkten kaum Aussicht auf Direktmandate in diesen Ländern.“ Erst wenn sie bundesweit annähernd auf gleiche Höhe mit der Union herankäme, würde sich die Überhangmandate-Situation grundlegend ändern, erläutert Moehl. Auch die derzeit eher schwache Linkspartei könne der CDU in Ostdeutschland keine Direktmandate abnehmen.

AfD derzeit ohne Aussicht auf Direktmandate

Aber wie sieht es mit der Alternative für Deutschland (AfD) aus? Die Rechtspartei hatte in Sachsen-Anhalt und Mecklenburg-Vorpommern bei den Landtagswahlen im vorigen Jahr jeweils mehrere Wahlkreise gewonnen. Zur Bundestagswahl erwartet Moehl keine Wiederholung dieser Erfolge. „Wir sehen die AfD derzeit in keinem Wahlkreis vorne. Er fügt jedoch hinzu: „Aber ausgeschlossen ist es damit nicht, dass die Partei Direktmandate gewinnen kann.“ Die Landtagswahlen mit den starken AfD-Gewinnen hätten auch einen Protestcharakter gehabt, der sich erfahrungsgemäß bei einer Bundestagswahl so nicht wiederholen werde. „Die CDU wird ihre Anhängerschaft wieder stärker mobilisieren können. Daher sehen wir die CDU auch in den Hochburgen der AfD als stark genug an, die Wahlkreise zu gewinnen. Es wird im September ein anderes Rennen sein“, erwartet Moehl.

Ähnliches gilt für Baden-Württemberg, wo die Grünen im vorigen Frühjahr der CDU und der SPD Direktmandate abgejagt hatten. „Es ist derzeit wenig wahrscheinlich, dass die Grünen dort bei der Bundestagswahl Direktmandate holen können. Viele Wähler, die wegen Winfried Kretschmann ´von der CDU zu den Grünen gingen, werden nun eher wieder bei der Union ihr Kreuzchen machen.“ 

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