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CSU-Landesgruppenchef und Ex-Verkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU).

© dpa/Kay Nietfeld

Wie grün ist die CSU?: Dobrindt entfacht Streit um Steuer-Aufschlag für Billigflüge

CSU-Landesgruppenchef Dobrindt geißelte die Grünen immer als „Verbotspartei“. Nun schlägt er eine Steuer für Billigflüge vor – zum Ärger seiner Parteispitze.

Von Robert Birnbaum

Das Stoppschild aus München ging mit etwas Verzögerung hoch, dann aber war es unübersehbar. Dabei hatte CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt alles so schön vorbereitet. Im Lauf der nächsten Woche wollen CDU und CSU ihren Klimakurs festlegen. Da schien ein Vorschlag gerade rechtzeitig in die „Bild“-Zeitung zu passen, um auf die Landesgruppe aufmerksam zu machen: Mit Billigstflügen zu 9,90 Euro nach Mallorca solle Schluss sein, die CSU verlange einen Mindestpreis für Fernflugtickets. „Ich will Klimaschutz statt Kampfpreise“, verkündete Dobrindt.

Stunden später kam das Stoppschild. „Dies ist kein abgestimmter Vorschlag der CSU“, ließ Generalsekretär Markus Blume kühl wissen. Und er fügte eine grundsätzliche Belehrung an: „Generell gilt: Die CSU ist eine Steuersenkungs- und keine Steuererhöhungspartei.“

Das war überdeutlich, zumal von Generalsekretär zum Vor-Vorgänger. Tatsächlich hatte die Landesgruppe die Parteizentrale nicht in ihre Pläne eingebunden, die Dobrindt am kommenden Dienstag in einer Kurzklausur seiner Abgeordneten verabschieden lassen will. Der Landesgruppenchef verteidigte sich: Es gehe bei dem Vorschlag nicht nur darum, Fernflug-Tickets unter 50 Euro mit einer Strafsteuer zu belegen, sondern zugleich um eine Mehrwertsteuersenkung für Bus und Bahn. In der Summe ergebe das eine Steuerentlastung: „In der Kombination wird ein Schuh daraus.“

Dass sich die Münchner den noch anziehen, ist allerdings alles andere als sicher. Schon zu Dobrindts Generalsekretärszeiten unter dem Parteichef Horst Seehofer galt schließlich prinzipiell jedwede Steuererhöhung als Teufelswerk und jeder Versuch, sie durch Gegenrechnen zu entschärfen, als Trickserei. Warum eine Flugstrafsteuer richtig, eine CO2-Steuer aber grundfalsch sein soll, erschließt sich ja auch nicht direkt.

Der Luftfahrtbeauftragte der Bundesregierung, der CDU-Mann Thomas Jarzombek, verwies denn auch prompt auf den Koalitionsvertrag und die Passage, auf die die CSU besonders Wert gelegt hatte: „Wir haben im Koalitionsvertrag verabredet, keine Steuern zu erhöhen.“ Jarzombek gab überdies zu bedenken, dass es kein CO2 einspart, wenn Urlaubsmaschinen halbleer nach Mallorca fliegen statt frei gebliebene Plätze an Leute mit knapper Kasse zu verscherbeln.

Sympathie für den Vorschlag aus der SPD

Das war aber erst der Anfang einer Debatte, deren Frontverläufe im Lauf des Tages immer unübersichtlicher wurden. Der SPD-Verkehrspolitiker Sören Bartol stimmte dem Vorschlag zu. Das SPD-geführte Umweltministerium ließ Sympathie erkennen. Andreas Scheuer, Dobrindts Nachfolger erst als Generalsekretär und dann als Verkehrsminister, ließ über eine Sprecherin wissen, er sei ebenfalls gegen Billigfliegerei; über die Instrumente müsse man allerdings reden.

Ähnlich skeptisch äußerte sich der Luftfahrt-Wirtschaftsverband: Billigsttickets wolle die Branche selber nicht, die „jetzt schon sehr hohe“ Luftverkehrssteuer habe die aber nicht verhindert – besser wäre da schon eine spezielle Klimaabgabe. Ausgerechnet die Grünen in Person ihres Finanzexperten Stefan Schmidt lehnten schließlich ab: Statt solch eine „symbolische Strafsteuer“ ins Spiel zu bringen solle die Regierung lieber erst mal die Steuersubventionen für Flugbenzin streichen.

Wenn Dobrindt Glück hat, bahnt ihm das Durcheinander einen gesichtswahrenden Ausweg, um sein Modell den Münchner Vorgaben anzupassen. Ungewöhnlich ist der Vorgang trotzdem. Schließlich ist zwar bekannt, dass Parteichef Markus Söder und Dobrindt sich nicht von Natur aus grün sind. Aber eine Zurechtweisung gab es noch nie.

Dass der Berliner den Münchner bewusst herausfordern wollte, glaubt allerdings in beiden Hauptstädten auch keiner. Die Dissonanz hat wohl eher damit zu tun, dass es in Sachen Klimapolitik gerade sehr unübersichtlich wird. Blickt man bloß auf die Union, tagt am Dienstag nicht nur die CSU-Landesgruppe. Zeitgleich hält die CDU ihre Klima-Werkstattgespräche ab – Ex-Finanzminister Wolfgang Schäuble hält morgens das Impulsreferat im Konrad-Adenauer-Haus, am Nachmittag soll das Klimakonzept der Partei stehen. Die Koalitionsspitzen beraten zu Wochenanfang informell den weiteren Fahrplan. Mittwoch und Donnerstag tagt der Vorstand der Unionsfraktion. Am Freitag und Samstag beschließt der CSU-Vorstand das christsozial-bayerische Klimakonzept. Und Ende September soll das Klimakabinett dann schlussendlich Eckpunkte beschließen.

Auch Söder denkt über grünere CSU nach

Sich in diesem Wust von Terminen, Beschlussvorschlägen und Papieren noch zurecht zu finden, ist nicht einfach; sich öffentlich Gehör zu verschaffen erst recht nicht. Söder verbreitet mittlerweile quasi täglich eine neue Idee. Am Freitag schlägt er in der „Augsburger Allgemeinen“ einen „Klima-Bonus“ vor: bis zu 10.000 Euro Steuernachlass bei Energiesparinvestitionen, parallel eine Senkung von Ökostromumlage und Stromsteuer.

Der Plan hat jedenfalls den Vorteil, dass er das selbst gesetzte Steuererhöhungsverbot nicht verletzt. Die leise Verwunderung, die seine Interviewpartner über die rasche Ergrünung der CSU zeigen, pariert er mit dem Hinweis, die Partei sei halt „versöhnlicher, optimistischer und integrativer“ geworden.

Was ihn selbst angeht, ist das übrigens gar nicht so neu. Schon der Generalsekretär Söder hat nachgedacht, ob die CSU nicht grüner werden muss. Grüner als die Grünen selbst soll sie aber nicht werden. Das ist ja das Erstaunlichste an Dobrindts Vorschlag: Immer hat er die Grünen als „Verbotspartei“ gegeißelt. Und auf einmal sollen Zwang und Strafe richtig sein.

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