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Politik: Wie kommen Sie da raus, Herr Merz?

Warum schlagen Sie eigentlich nicht eine Grundgesetzänderung vor, derzufolge die nächste Bundestagswahl erst 2006 stattfinden könnte? Gerhard Schröder wäre glücklich, die Grünen wären happy, die Union hätte die lästige Kanzlerkandidatendebatte vom Hals.

Warum schlagen Sie eigentlich nicht eine Grundgesetzänderung vor, derzufolge die nächste Bundestagswahl erst 2006 stattfinden könnte? Gerhard Schröder wäre glücklich, die Grünen wären happy, die Union hätte die lästige Kanzlerkandidatendebatte vom Hals.

Wir treten 2002 an und zwar mit einer guten Formation. Wir werden die Bundestagswahl 2002 gewinnen. Deshalb kann ich Ihrem Vorschlag nichts abgewinnen.

Meinen Sie das ernst?

Es ist meine feste Überzeugung, dass wir 2002 eine sehr gute Chance haben. Umgekehrt: Wer jetzt auf 2006 hofft und für 2002 auf Platz statt auf Sieg setzt, der hat nicht nur die nächste, sondern gleich die übernächste Wahl mit verloren.

Was heißt für Sie siegen?

Wir wollen das strategische Ziel erreichen, stärkste Fraktion im Deutschen Bundestag zu werden. Dann spricht sehr viel dafür, dass die Union auch wieder Regierungsverantwortung trägt.

Wenn Sie schon keinen Kanzlerkandidaten haben, haben Sie wenigstens einen Kandidaten für den Bundestagspräsidenten, den Sie ja als stärkste Fraktion bräuchten?

Wir machen alles schön der Reihe nach. Der Kanzlerkandidat steht Anfang 2002. Der neue Bundespräsident oder eine Präsidentin aus unseren Reihen wird im Oktober gewählt.

Aha. Wenn Sie jetzt noch keinen Kandidaten bestimmen wollen, können Sie wenigstens die Kriterien für die spätere Auswahl benennen?

Führungsstärke, Überzeugungskraft und Identität mit den von den Wählern als wichtig angesehenen Themen.

Wie erklären Sie sich das große Interesse in den Medien und auch in der Union an dem in die Diskussion geworfenen Namen Wolfgang Schäuble?

Personalspekulationen sind immer interessant, aber es liegt natürlich auch daran, dass Wolfgang Schäuble ohne Zweifel zur Spitze, zu den Führungspersönlichkeiten der Union zählt. Das habe ich übrigens immer so gesehen, auch als das zeitweise nicht Allgemeingut war.

Können Sie der Idee etwas abgewinnen, dass der Person, die als Kanzlerkandidat der Union ins Rennen geht, ein Kompetenzteam zur Seite steht?

Ich halte es für unverzichtbar, dass wir neben einer überzeugenden Persönlichkeit an der Spitze eine Mannschaft präsentieren, die für die wichtigsten Themen steht. Ich denke dabei an die Wirtschafts- und Arbeitsmarktpolitik, an die Außenpolitik, die innere Sicherheit und die Finanzpolitik. Zudem brauchen wir eine Person, die überzeugend eintritt für die Reform der sozialen Sicherungssysteme, wobei wir den gesamten Sozialversicherungsbereich einschließlich der Gesundheitspolitik in eine Hand legen sollten. Und es muss jemand da sein, der für Familienpolitik und Gesellschaftspolitik im weitesten Sinne des Wortes einsteht. Dass es eine solche Mannschaft geben muss, scheint mir in der Union unstrittig zu sein.

Was ist mit den Finanzen? Ein starkes Gewicht in dieser Bundesregierung hat Hans Eichel, muss der gewissermaßen einen Sonderbewacher bekommen?

Die Finanzpolitik, Haushaltspolitik, Steuerpolitik, gehört selbstverständlich dazu. Wahrscheinlich wäre es gut, Wirtschafts-, Arbeitsmarkt und Finanzpolitik durch eine Person zu repräsentieren ...

Halten wir fest: Die Union hat bis heute weder einen Kanzlerkandidaten noch eine Mannschaft. Hat sie wenigstens eine Strategie für die Bundestagswahl?

Es ist noch ein knappes Jahr bis zur Bundestagswahl - in der Politik eine relativ lange Zeit. Die Themen wechseln schnell, manche kommen ohne Vorwarnung auf die Tagesordnung, wie man an BSE und oder am internationalen Terrorismus sieht. Wir müssen uns also auf verschiedene Szenarien vorbereiten. Aus heutiger Sicht gibt es zwei denkbare Szenarien. Das eine wäre eine Verschärfung der internationalen Lage im Bereich der Außen- und Sicherheitspolitik. Dann muss die Union in der Frage der Außenpolitik, der Verteidigungspolitik und der Sicherheitspolitik konzeptionell stehen. Ich glaube, dass wir das in den letzten Wochen unter Beweis gestellt haben, dass wir hier konzeptionell etwas zu sagen haben und dass wir anknüpfend an das, was die Union immer für richtig gehalten hat - nämlich Verteidigungsfähigkeit, Bündnisfähigkeit, internationale Politikfähigkeit - gut aufgestellt sind. Allerdings sind internationale Krisen immer Zeiten der Exekutive. Von einer solchen Lage profitiert eine im Amt befindliche Regierung immer mehr als die Opposition. Das sieht man allein schon daran, dass Herr Scharping immer noch im Amt ist.

Und wie sieht das zweite Szenario aus?

Das aus heutiger Sicht eher wahrscheinlichere Szenario für die Bundestagswahl 2002 ist eine Auseinandersetzung um den richtigen Weg in der Wirtschafts- und Arbeitsmarktpolitik. Wir haben es geschafft, in der Wirtschaftspolitik wieder einen Kompetenzvorsprung vor den Sozialdemokraten zu bekommen.

Wodurch eigentlich? Sachlich ist das ja wohl kaum begründet.

Das liegt zum einen an unseren konkreten eigenen Vorschlägen, sicher auch an der konzeptionellen Schwäche der Bundesregierung. Davon profitiert eine Opposition immer. Diese Bundesregierung handelt ja wegen ungelöster interner Meinungsverschiedenheiten und tiefgreifender Differenzen über den richtigen Weg in der Wirtschaftspolitik nicht mehr. Die Politik der ruhigen Hand ist in Wahrheit eine Politik der ruhigen Kugel. Schröder hat Angst vor Reformen, Angst vor seinen eigenen Funktionären.

Das mit dem Handeln sagt sich leicht.

Das Problem der Bundesregierung ist, dass sie es drei Jahre lang versäumt hat, das Richtige zu tun. Jetzt ist es zu spät. Selbst wenn sie noch hektisch über den Jahreswechsel irgend etwas machen würde, etwa einen Teil der Steuerreform vorziehen, hätte das kurzfristig keine Wirkung mehr.

Auch die finanziellen Spielräume sind eng geworden.

Eichel hat gerade seine Bankrotterklärung abgeben müssen: Er kann seine Sparziele nicht einhalten. Viel zu lange hat er sich auf einen schwachen Euro und auf eine vom Export getragene Konjunktur verlassen. Jetzt treten alle Probleme offen zu Tage. Deswegen müssen wir als Union jetzt die langfristig richtigen Konzepte auf den Tisch legen. Und dazu gehört, dass wir vor allem den Arbeitsmarkt in Ordnung bringen wollen: Raus aus der Bewirtschaftung der Arbeitslosigkeit und rein in eine wirklich auf Wachstum und Beschäftigung konzentrierte Wirtschafts-, Finanz- und Arbeitsmarktpolitik.

Fällt Ihnen dazu mehr als immer wieder Kombilohn ein?

Aber ja. Es geht um die Öffnung des Arbeitsmarktes in den Niedriglohnsektor, weil wir vor der Alternative stehen, entweder diesen Teil des Arbeitsmarktes auf Dauer stillzulegen, oder wie andere Länder, auch sozialdemokratisch regierte Länder es längst gemacht haben, den Arbeitsmarkt so zu öffnen, dass auch diejenigen, die eine schlechtere Qualifikation haben, die vielleicht etwas älter sind und die vielleicht auch ein gesundheitliches Handicap haben - und davon sind immerhin zwei Drittel der Langzeitarbeitslosen betroffen - wieder eine Perspektive im ersten Arbeitsmarkt erhalten.

Jede Opposition versucht sich, mit Forderungen nach Steuersenkung interessant zu machen ...

das war unser Kurs auch schon vor 1998, doch Lafontaine und Schröder haben das damals vereitelt. Im Prinzip ist es richtig, nicht mit hohen öffentlichen Defiziten, sondern mit einer schrittweise gesenkten steuerlichen Belastung deutschen Unternehmen wieder internationale Wettbewerbsfähigkeit zu geben. Gegenwärtig erleben wir in Deutschland das genaue Gegenteil. Nur in einem der vier Jahre der rot-grünen Koalition sinkt die volkswirtschaftliche Steuerquote. In den anderen drei Jahren steigt die steuerliche Belastung der Unternehmen, steigt die steuerliche Belastung der Arbeitnehmer, und was noch dramatischer ist, es steigen überproportional die Kosten der sozialen Sicherung in Deutschland. Ständig steigen die Kosten der sozialen Absicherung, die Beschäftigungsquote geht zurück, die Arbeitslosigkeit wächst, die steuerliche Belastung wächst. Wenn wir aus diesem Teufelskreis nicht herauskommen, hat dieses Land keine Chance, seine Probleme zu lösen.

Wie wollen Sie Steuersenkungen finanzieren?

In der Lage, in die sich die Bundesregierung hinein manövriert hat, sind die Spielräume extrem klein geworden. Wir könnten aber jetzt schon in bescheidenem Umfang Kosten einsparen, etwa in den völlig ineffizienten Programmen der Bundesanstalt für Arbeit, so dass man Schritt für Schritt auch die Steuern senken könnte: Zusammenlegung von Arbeitslosenhilfe und Sozialhilfe, Dezentralisierung der Arbeitsmarktpolitik. Ich gehe sogar noch einen Schritt weiter und stelle den Sinn einer Bundesanstalt für Arbeit in Frage. Statt dessen sollte man die Arbeitsmarktpolitik regionalisieren. Die Arbeitslosenversicherung müsste von versicherungsfremden Leistungen entlastet werden. ABM, SAM, jetzt Jobaqtiv und wie die Dinge alle heißen, dürfen nicht aus Versicherungsbeiträgen der Arbeitnehmer bezahlt werden. Diese Instrumente sind im Grunde alle gescheitert. Nicht nur fördern mit einer immer größer werdenden Sozialbürokratie, sondern auch fordern, das wäre eine wirkliche Modernisierung.

Kurzfristig bringt das freilich nichts.

Kurzfristig wird sich für das nächste Jahr allenfalls noch mit einem kleinen Entlastungsschritt in der Steuerpolitik etwas machen lassen, etwa mit einer von 2003 auf 2002 vorgezogenen Stufe der Steuerreform. Oder wir sollten wenigstens darüber reden, ob man nicht den früher einmal vorhandenen besonderen Steuersatz für gewerbliche Einkünfte wieder einführt, so lange man nicht mit der Steuerbelastung insgesamt herunter gehen kann. Wir hatten das früher schon einmal, als es für den Mittelstand eine Tarifbegrenzung im Einkommensteuergesetz gab. Heute würde das bei 48,5 Prozent Spitzensteuersatz bedeuten, einen Sondertarif für gewerbliche Einkünfte von beispielsweise 42 oder 40 Prozent, besser 38 Prozent einzuführen. Grob überschlagen wären das Steuerausfälle für Bund und Länder in einer Größenordnung von drei bis vier Milliarden Euro. Das könnte für den gebeutelten Mittelstand ein bisschen Entlastung bringen.

Zurück zur Strategie für die Bundestagswahl. Bei welchen Themen bietet sich Zuspitzung an?

Beim Arbeitsmarktthema mit der Zuspitzung: "Wer arbeitet, muss in diesem Land grundsätzlich mehr Geld verdienen als derjenige, der nicht arbeitet und soziale Transferleistungen bekommt." Bei der Inneren Sicherheit: "Vorrang für die Sicherheit der Bürger vor den wie auch immer gearteten Schutzinteressen der potentiellen Täter." Bei der Zuwanderung: "Eine klare Begrenzung der Zuwanderung nach Deutschland, keine Ausweitung, sondern eine Begrenzung und ein striktes Nein zu jeder Form von neuen Asylgründen." Ich glaube, dass wir Themen genug haben.

Die müssten Sie dann womöglich in eine Große Koalition einbringen ...

da sind Sie gedanklich zwar schon einen erfreulichen Schritt weiter, dass Sie wenigstens unsere Regierungsbeteiligung erwarten ...

nicht erfreulich, aber möglicherweise zwangsläufig, wenn die Regierung ihre Mehrheit vor der Wahl verliert und die SPD die Union in die staatspolitische Verantwortung zwingt.

Ich sehe aber nicht, dass die rot-grüne Koalition vor der Wahl auseinanderbricht. Bis jetzt haben die Grünen immer noch klein beigegeben. Wenn dennoch die Lage eintritt, dass der Bundeskanzler keine eigene Mehrheit im Parlament mehr hat, dann muss er die Vertrauensfrage stellen und zurücktreten. Ich sehe keinen Platz für eine große Koalition. Große Koalitionen machen die Ränder stark und lösen bundespolitisch auch keine Probleme. Jedenfalls habe ich nicht die Absicht, diese Bundestagsfraktion CDU/CSU als Juniorpartner in eine Koalition mit Gerhard Schröder zu führen.

Warum schlagen Sie eigentlich nicht eine Gr, gese

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