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Politik: Wie schwarz ist die Nacht?

KONJUNKTURKRISE

Von Alfons Frese

Vielleicht war die Flut nicht hoch genug. Vielleicht sind wir Deutschen nach dem Spenden zu schnell wieder im Alltag versunken. In der Sozialwissenschaft gibt es die Theorie, wonach es gelegentlich einer Katastrophe bedarf, um die Leute aufzuschrecken. Erst kommt das Wasser, und dann geht der Ruck durch’s Land – sozusagen. Der träge Riese besinnt sich auf sein Potenzial und mobilisiert Kräfte; ein Land kommt in Schwung. Schön wär’s. In Wirklichkeit ist Deutschland verzagt. Rezession, Depression, Deflation – eigentlich kann alles nur noch schlimmer werden.

Die Fakten: In diesem Jahr wächst die Volkswirtschaft nur minimal, im Winter werden etwa 4,5 Millionen Menschen arbeitslos sein; der unaufhörliche Börsen-Crash droht die reale Wirtschaft mit hinabzuziehen, wie die Krise der Banken und Versicherungen zeigt; wegen der schwachen Wirtschaft nimmt der Staat weniger Steuern und Sozialbeiträge ein, aber Ausgabenkürzungen oder Steuererhöhungen könnten der labilen Konjunktur den Rest geben; zum ersten Mal seit Jahrzehnten fehlt der Weltwirtschaft die Lokomotive, Japan, Europa und die USA sind alle gleichzeitig schwach; schließlich hat die Sorge um die Irak-Politik das Schmiermittel der Wirtschaft schon kräftig verteuert. Der hohe Ölpreis wiederum wirkt sich auf die Inflationsrate aus, was eine Zinssenkung durch die Europäische Zentralbank erschwert. Taumeln wir also – wie Anfang der 90er Jahre die Japaner – in eine endlose Krise?

Wer sie sehen will, der entdeckt positive Signale. Die deutsche Exportwirtschaft spricht von einem „Lichtzeichen am Ende des Tunnels“, im kommenden Jahr werden die Ausfuhren wieder steigen. Für die Exportnation Deutschland ist das eminent wichtig. Doch nicht allein von der Weltwirtschaft hängt unser Wohl ab. Großen Einfluss auf die Wirtschaft haben die deutsche Finanz- und die europäische Geldpolitik. Die Europäische Zentralbank sollte trotz der relativ hohen Inflation bald die Zinsen senken, um die Wirtschaftsakteure mit billigerem Geld zu versorgen.

Leider geben die Leute das Geld nicht aus. Angst um den Arbeitsplatz, Ärger über den Teuro, unsichere Altersvorsorge – warum auch immer. Im Ergebnis sitzen die Verbraucher auf ihrem Geld. Der Einzelhandel erlebt das schlechteste Jahr seit dem Krieg. Man muss es ja nicht machen wie die Amerikaner, die bis zum Hals in Schulden stecken und trotzdem fröhlich konsumieren. Aber die Schwarzmalerei scheint eine deutsche Spezialität zu sein. Dabei geht es den meisten von uns gut, vielleicht zu gut, um Veränderungen zu wagen. Doch irgendwann ist es zu spät. Die japanische Regierung versuchte jahrelang, die Probleme auszusitzen und kriegt sie nun nicht mehr in den Griff.

Nach der Bundestagswahl und vor der möglichen Rezession hat die neue Bundesregierung es jetzt in der Hand, ein Zeichen zu setzen. Bildung, Arbeitsmarkt, Sozialkassen und Bürokratie – über die Aufgabenfelder wird seit Jahren palavert. Wenn endlich in der Bevölkerung der Eindruck entsteht, dass etwas angepackt wird, dann dreht sich auch die Stimmung. Denn Deutschland hat innovative Unternehmen, hervorragend ausgebildete Arbeitskräfte und engagierte Lehrer. Vor der Zukunft muss uns nicht bange sein.

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