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Politik: Wie viel wog die Arche Noah?

Polens mitregierende Rechtsklerikale wollen Darwins Lehre an den Schulen durch die biblische Schöpfungslehre ersetzen

Warschau - Schlecht ist es nach Ansicht von Polens stellvertretendem Erziehungsminister Miroslaw Orzechowski um den heimischen Unterricht bestellt. Es sei „traurig“, dass die „Lüge“ der Evolutionstheorie von Charles Darwin an Polens Schulen unterrichtet werde, klagt der Funktionär der rechtsklerikalen Regierungspartei LPR. Der Darwinismus, der Affe und Mensch als verwandt ansehe, sei eine „Para-Wissenschaft“ für Ungläubige. Vielleicht weil Darwin Vegetarier gewesen sei, habe dem Atheisten „das innere Feuer“ gefehlt, mutmaßt der Vizeminister. Dabei habe die christliche Schöpfungslehre 2000 Jahre überdauert: Der Kreationismus sei eine „zivilisatorische Wahrheit“, die sich aus dem Glauben speise und „von tausenden Generationen bestätigt“ worden sei.

In den Umfragen dümpeln die Patrioten der LPR seit Monaten stabil unter der Fünf-Prozent-Hürde. Doch das vermag den Aktionismus des Juniorpartners in Polens nationalpopulistischer Koalition nicht zu bremsen. Setzen sich die bibelfesten LPR-Aktivisten mit ihrer Kampagne zur Wiedereinführung der Todesstrafe großzügig über das wichtigste Gebot des Christentums hinweg, nehmen sie es bei der Auslegung der Schöpfungsgeschichte ganz genau: Wie in der Bibel beschrieben, habe Gott die Welt in einer Woche geschaffen – und auf einmal.

Der Auftakt zu der LPR-Kampagne, dem Kreationismus das gebührende Gewicht an den Schulen zu verschaffen, blieb dem Ehrenvorsitzenden Maciej Giertych vorbehalten. Der Europaabgeordnete hatte bereits im Frühjahr die internationale Öffentlichkeit verblüfft, als er Spaniens Diktator Franco als Verteidiger des Christentums würdigte. Mit seiner Mitte Oktober im Europaparlament anberaumten „Kreationismus-Konferenz“ löste der Biologie-Professor bei den Abgeordnetenkollegen indes eher Heiterkeit aus. Selbst das Gewicht der Arche Noah hat der sendungsbewusste Genetiker berechnen lassen: 14 000 Tonnen an Schiff und Viehzeug sollen am Berg Ararat einst gestrandet sein.

Werden die Weisheiten des Professors im fernen Straßburg milde belächelt, lösen sie bei polnischen Schülern und ihren Eltern wachsendes Unbehagen aus. Denn ausgerechnet Giertychs Sohn Roman ist seit Mai Vizepremier und Erziehungsminister und hatte schon mit der Ankündigung eines neuen Fachs für „patriotische Erziehung“ landesweite Proteste ausgelöst. Noch hält sich der Erziehungsminister und LPR-Chef mit Stellungnahmen zu den Vorschlägen seines Vaters zurück, lässt dafür seinen Stellvertreter Klartext sprechen.

„Gerade Giertych stammt vom Affen ab“, skandieren inzwischen jugendliche Gegendemonstranten. Manche Leute hätten offenbar „nicht Affen, sondern Esel als Vorfahren“, ätzt die Wochenzeitung „Nie“. Giertychs Aktionen seien „ein guter Weg zur Rückkehr ins Mittelalter“, sagt der Wissenschaftsautor Marcin Ryszkiewicz: Der Sejm könnte ja auch Resolutionen absegnen, dass die Erde eine Scheibe sei und der Mensch von Engeln abstamme. Den Koalitionspartnern der LPR, die sich beredt ausschweigen, scheint deren neuester Streich eher peinlich zu sein. Vizeminister Orzechowski ist dagegen zuversichtlich: „Wir sind auf gutem Wege, die Welt zu verbessern.“

Thomas Roser[Warschau]

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