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Politik: Wie wir uns wehren

Von Frank Jansen

Sie werden es weiter versuchen. Die Festnahme eines der mutmaßlichen Kofferbomber und die intensive Suche nach dessen Komplizen verringern die Gefahr von Anschlägen anderer Dschihadisten nur punktuell. Keiner der Fahndungserfolge der Sicherheitsbehörden im Kampf gegen militante Islamisten hat verhindern können, dass zwei Anhänger des Heiligen Krieges der Bundesrepublik einen gewaltigen Schrecken verpasst haben. Noch nie in der Geschichte des islamistischen Terrors war Deutschland auf so viel Glück angewiesen. Erstmals waren es nicht Polizei und Nachrichtendienste, die einen Anschlag vereitelt haben – sondern, so stellt es sich inzwischen dar, nur das technische Unvermögen der Attentäter. Die Sicherheitsbehörden waren bereits geschlagen. Da erscheint es zweitrangig, ob eine funktionierende Zündung kaum mehr als große Stichflammen in den Regionalzügen ausgelöst hätte oder wuchtige Explosionen. Am 31. Juli ist der Terror nur noch an sich selbst gescheitert.

Das Szenario könnte erschreckender kaum sein, doch die Republik pflegt ihre Rituale. Es wird wieder über die Ausdehnung der Videoüberwachung gefeilscht, der Streit um die Anti-Terror-Datei geht in eine neue Runde, die Debatte über den Einsatz der Bundeswehr im Inneren wird aufgewärmt. Obwohl die Beinaheanschläge vom 31. Juli zunächst nur eine brutale Erkenntnis zulassen: Wahrscheinlich hätten keine der diskutierten Maßnahmen und auch nicht das geplante Terrorismusbekämpfungsergänzungsgesetz die bis zur Tat kaum auffälligen Kofferbomber gebremst.

Dieser Realitätsschock müsste hinreichend Anlass sein, die Debatte über die Sicherheitsarchitektur rationaler zu gestalten und mentale Blockaden zu überwinden. Dazu gehörte der Verzicht auf Maximalpositionen, seien sie nun konservativ oder linksliberal. Die Union sollte zugeben, dass auch bei einem gigantischen Einsatz von Sicherheitspersonal und Material und der weiteren Verschärfung von Gesetzen das Risiko terroristischer Angriffe keinesfalls automatisch abnimmt. Linke und Liberale hingegen reden am legitimen Schutzbedürfnis der Bürger vorbei, wenn auf Vorschläge zu einem Ausbau der Sicherheitsarchitektur oft reflexhaft das Schreckgespenst des Überwachungsstaates beschworen wird.

Das Ringen um die Anti-Terror-Datei steht nahezu exemplarisch für die verkrampfte Debatte über den Einsatz eines neuen Instruments. Strittig ist, ob es, wie aus der Union gefordert, eine Volltextdatei geben soll, in die Nachrichtendienste und Polizei reichlich Erkenntnisse über Terrorverdächtige einspeisen. Oder nur, wie es die Bundesregierung plant, eine Indexdatei, die sich weitgehend auf Namen registrierter Personen, einige Anmerkungen und auf Angaben beschränkt, welche Behörden weitere Informationen speichern. Dass eine Einigung über die Datei überfällig ist, um im Ernstfall wenigstens Informationen über schon bekannte Terrorverdächtige rasch allen Sicherheitsbehörden zugänglich zu machen, geht in der Debatte unter. Das ist fahrlässig. Bei Anschlagsgefahr ist der schnellstmögliche Einsatz gefordert.

Dazu zählt auch, dem Bundeskriminalamt endlich die geforderten zusätzlichen Befugnisse einzuräumen. Es ist nicht nachvollziehbar, warum das BKA nach einem Tipp aus dem Ausland erst eine Länderpolizei kontaktieren muss, anstatt sofort selbst Ermittlungen zu starten. Die Verzögerung nützt nur den Terroristen.

Im Fall der Kofferbomber zeigt sich allerdings auch, wie Realpolitik schlicht Debatten überholt. Der entscheidende Tipp zur Festnahme des mutmaßlichen Kofferbombers in Kiel kam vom libanesischen Militärgeheimdienst. Der steht beileibe nicht für eine strikte Einhaltung von Menschenrechten. Hätte die deutsche Polizei also abwinken und auf den Zugriff verzichten sollen? Die Frage klingt zunächst abwegig, doch sie erinnert an den halb vergessenen BND-Untersuchungsausschuss, in dem es auch um die Zusammenarbeit deutscher Behörden mit problematischen Partnern geht. Womöglich gelingt es den Kofferbombern sogar, noch den Ausschuss durchzuwirbeln.

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