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Politik: Wieder Ärger für Fischer im eigenen Haus

Mitarbeiter im Auswärtigen Amt protestieren gegen neue Praxis zur Würdigung verstorbener Diplomaten

Von Hans Monath

Berlin - Im Streit um die Gedenkpraxis des Auswärtigen Amtes (AA) für ehemalige Diplomaten verstärkt die Union ihre Angriffe auf Außenminister Joschka Fischer (Grüne). Der außenpolitische Sprecher der Unionsfraktion, Friedbert Pflüger, forderte am Dienstag eine Korrektur der Anweisung, wonach verstorbene AAMitarbeiter intern keinen ehrenden Nachruf, sondern nur noch eine wertfreie Todesnachricht mit Nennung der Karrierestationen erhalten. Hintergrund von Fischers Anweisung war eine Beschwerde über einen verharmlosenden Nachruf auf einen ehemaligen Kriegsverbrecher. Pflüger nannte die Entscheidung gegenüber dpa einen „schwerwiegenden Fehler“. Verdiente Diplomaten würden so „nachträglich pauschal unter Generalverdacht gestellt und herabgewürdigt“.

Die Debatte über die Gedenkpraxis kommt für Fischer zu einem Zeitpunkt, da sich der Ressortchef auch schon in der Visa-Affäre mit Kritik von Angehörigen des eigenen Hauses konfrontiert sieht. Nachdem zunächst nur ausgeschiedene Diplomaten in Zeitungsanzeigen gegen die neue Nachrufpraxis protestiert hatten, beteiligten sich nun rund 70 aktive AA-Mitarbeiter an einer Unterschriftenaktion. Allerdings verläuft die Kluft in der Beurteilung von Fischers Entscheidung quer durch das Ministerium. Auch Befürworter der neuen Praxis, die mit dem Personalrat abgestimmt worden war, sammeln Unterschriften und publizieren Leserbriefe in dem in wenigen Tagen erscheinenden Heft des Blattes „internAA“.

Mit der Gedenkpraxis intensiv beschäftigt hatte sich Fischer erstmals Mitte des Jahres 2003, als eine ehemalige AA-Angestellte gegen den zehnzeiligen Nachruf auf den Generalkonsul a.D. Franz Nüsslein in „internAA“ protestierte, in dem auch von einer „zehnjährigen Internierung in der Tschechoslowakei“ die Rede war. Die Leserin wies darauf hin, dass der ehemalige Oberstaatsanwalt als Günstling des stellvertretenden Reichsprotektors für Böhmen und Mähren, Reinhard Heydrich, an zahlreichen Verfahren mitgewirkt und deshalb von den Amerikanern an die Tschechoslowakei ausgeliefert worden war. Dort war er als Kriegsverbrecher zu 20 Jahren Kerker verurteilt worden. Nach dem Leser-Protest erging intern die Weisung, ehemaligen NSDAPMitgliedern keinen Nachruf in dem Blatt mehr zu widmen. Die neue Praxis wurde erst bekannt, als Ex-Diplomaten einen Nachruf auf den im Herbst 2004 verstorbenen Spitzendiplomaten Franz Krapf vermissten, der wie Nüsslein ebenfalls NSDAP-Mitglied gewesen war.

Die Ehemaligen nahmen die Ehrung Krapfs per Zeitungsanzeigen selbst in die Hand und machten den Streit damit öffentlich. Im März entschied der Minister, dass verstorbene Mitarbeiter nur noch mit ihrem beruflichen Lebenslauf gewürdigt werden. Für eine individuelle Prüfung der Lebensläufe fehlten die Mittel. Die Kritiker dagegen sehen die „Verdienste der Aufbaugeneration“ missachtet. Die Ehrung der Toten zu verweigern, sei „Ausdruck anmaßender Selbstüberschätzung“ und spiegele „das manichäische Geschichtsbild derjenigen wider, die bereits 1968 glaubten, keinem über 30 trauen zu dürfen“, heißt es in ihrem Protestaufruf.

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