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SPD-Kanzlerkandidat Peer Steinbrück stellt am Montag die ersten drei Mitglieder seines Wahlkampfteams vor.

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Wiesehügel und Co.: Peer Steinbrück stellt sein Wahlkampfteam vor

In Berlin stellt Peer Steinbrück sein Kompetenzteam vor. Nach dem holprigen Wahlkampfstart könnten Spekulationen um das Steinbrück-Team der SPD doch noch dienen.

Von Robert Birnbaum

SPD-Kanzlerkandidat Peer Steinbrück will mit den ersten drei Mitgliedern seines Kompetenzteams eine Brücke zu den wichtigsten Wählergruppen für die Sozialdemokraten schlagen. "Die SPD als Volkspartei wird, um Wahlen zu gewinnen, ein breites Spektrum an Wählern erreichen müssen", sagte Steinbrück am Montag in Berlin.
Dafür seien drei wesentliche Gruppen entscheidend: die organisierte Arbeitnehmerschaft, ein bürgerlich aufgeklärtes Publikum und intellektuelle Impulsgeber. Für diese Gruppen stünden der Vorsitzende Gewerkschaft Bauen-Agrar-Umwelt, Klaus Wiesehügel, der Parlamentarische Geschäftsführer Thomas Oppermann und die Designforscherin Gesche Jost. Steinbrück stellte die drei Mitglieder seines Wahlkampfteams in der SPD-Zentrale vor.

Insgesamt stehe das Wahlkampfteam weitgehend fest - nur mit Namen hält sich die Partei aber noch zurück. Zu 80 bis 90 Prozent seien die Entscheidungen gefallen, sagte Steinbrück bei der Vorstellung der ersten drei Mitglieder. Zugleich betonte er, dass er eine vorzeitige Bekanntgabe der restlichen Namen vermeiden wolle. Zu Berichten vom Wochenende, nach denen auch Thüringens Wirtschaftsminister Matthias Machnig und Hamburgs Justizsenatorin Jana Schiedek dem SPD-Team angehören sollen, sagte Steinbrück: „Die Namen, die sie jetzt am Wochenende gelesen haben, müssen nicht richtig sein.“

Zuvor hatte man es noch Panne halten können, dass Peer Steinbrück durch Polen reiste, als daheim die ersten Namen seines „Kompetenzteams“ in der „Bild“-Zeitung auftauchten. Man könnte, wenn man schon das Spekulieren anfängt, genauso gut darüber nachdenken, ob nicht so eine Auslandsreise die perfekte Tarnung bietet für eine ganz gezielte Durchstecherei. Als gesichert festhalten indessen kann man: Wenn es eine Panne war, dann kommt sie dem SPD-Kanzlerkandidaten zupass. Kurzfristig, weil jetzt erst mal keiner mehr von dem Tempolimit-Durcheinander redet, das Parteichef Sigmar Gabriel angerichtet hatte. Und langfristig, weil ein solches Team viel von jener Fokussierung auf das allzu offenkundig ungleiche Duo Steinbrück/Gabriel nehmen könnte, die zum Stolperstart des Wahlkampfs beigetragen hat.

Das wird am deutlichsten in der auf den ersten Blick überraschendsten Berufung. Klaus Wiesehügel ist nicht nur seit zwei Jahrzehnten Chef der Industriegewerkschaft Bauen-Agrar-Umwelt (IG BAU). Der gelernte Betonbauer war zu rot-grünen Regierungszeiten von 1998 bis 2002 auch als Abgeordneter im Bundestag – und zwar für die SPD, aber gegen deren Kanzler Gerhard Schröder. Wiesehügel zählte zum harten Kern der Agenda- 2010-Kritiker. Er blieb seiner Linie auch nach dem Ausscheiden aus dem Parlament treu – Franz Münteferings großkoalitionär durchgesetzte Rente mit 67 lehnte kaum eine Gewerkschaft so offensiv ab wie die IG BAU.

Noch was drin. Peer Steinbrück hält sich weitere Berufungen offen. Hier zu sehen: Gesche Joost.
Noch was drin. Peer Steinbrück hält sich weitere Berufungen offen. Hier zu sehen: Gesche Joost.

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Die Personalie trägt der SPD denn auch bei den politischen Konkurrenten reichlich Häme ein. Dass Steinbrück ein Agenda-Anhänger ist, ist bekannt; er selbst hat sich immer gegen Versuche gewehrt, Schröders Erbe zu entsorgen. CDU-General Hermann Gröhe ätzt über einen „Zickzack-Kurs“, den die Berufung dokumentiere. Unter der Hand freut sich mancher im Regierungslager, dass Wiesehügel für Steinbrück das werden könne, was der „Professor aus Heidelberg“ Paul Kirchhof einst für die Kanzlerkandidatin Angela Merkel war: ein unberechenbarer Überzeugungstäter. Der Vergleich übersieht allerdings etwas: Kirchhofs radikale Finanzthesen boten Rot-Grün auch inhaltlich ideale Angriffsfläche. Wiesehügels Agendaskepsis bietet sie absehbar eher nicht; schließlich ist Merkels CDU längst selbst bemüht, ihre wilde Reformphase vergessen zu machen.

Damit könnte der bärtige Gewerkschafter, wenn er es denn geschickt anstellt, genau die Aufgabe ausfüllen, der die Berufung in dieses Team dienen soll: die Verbreiterung der politischen Bemessungsgrundlage des Kandidaten. Wiesehügel kann ganz andere Positionen beziehen, als das Steinbrück selbst jemals könnte. Beim Kandidaten schaut jeder darauf, ob er sich treu bleibt; ein Kandidat wie der Ex-Finanzminister, der für sich selbst das Label „Klartext“ in Anspruch nimmt, hat da doppelt engen Spielraum. Den Traditionssozi geben kann er jedenfalls so einfach nicht.

Überraschendste Berufung: Klaus Wiesehügel.
Überraschendste Berufung: Klaus Wiesehügel.

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Wiesehügel hat damit kein Problem. Und weil er zwar für Arbeit und Soziales zuständig sein soll, ein „Kompetenzteam“ aber ausdrücklich kein „Schattenkabinett“ darstellt, könnte er ziemlich viel Beinfreiheit in Anspruch nehmen. Für Steinbrück wird das nur dann zum Problem, wenn sein Kompetenz-Sozialer sich in Gegensatz zu ihm begeben sollte. Wenn nicht, kann Wiesehügel zum Beweis dafür herhalten, dass selbst ein Agenda-Kritiker mit dem Agenda-Freund Steinbrück als Kanzler sehr gut leben könnte.

Über weitere Teammitglieder darf spekuliert werden.

Thomas Oppermann.
Thomas Oppermann.

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Andere Mitglieder des Teams haben sowieso kein Problem. Thomas Oppermann etwa, die rechte Hand des Fraktionschefs Frank-Walter Steinmeier, ist eine logische Wahl. Der Parlamentsgeschäftsführer der Bundestagsfraktion gehört zu den profilierten, über die eigenen Reihen hinaus geachteten Abgeordneten. Seine Position ist, zumal in Oppositionszeiten, sowieso nur formal in der zweiten Reihe angesiedelt. Der Niedersachse hat das zu nutzen gewusst: Er kann bissig attackieren, aber auch geschmeidig verhandeln. Und niemand bezweifelt, dass er sich auf die Innenpolitik versteht, für die er im Wahlkampf sprechen soll.

Für die Design-Professorin Gesche Joost gilt das Gleiche in dem ihr zugewiesenen Fachgebiet, Internet und Netzpolitik. Politisch ist die 1974 geborene Kielerin noch nicht weiter in Erscheinung getreten. Aber das spielt in einer Szene keine große Rolle, die so richtig erst mit dem Auftauchen der Piraten ins Bewusstsein der Parteistrategen getreten ist. Joost ist seit 2010 Professorin für Designforschung an der Universität der Künste in Berlin.

Diese drei will Steinbrück an diesem Montag auch offiziell vorstellen. Über weitere Teammitglieder darf spekuliert werden. „Focus“ kolportierte, Matthias Machnig, Wirtschaftsminister in Thüringen, solle Steinbrücks Mann für Energie, Infrastruktur und Aufbau Ost werden. Das wäre in etwa so folgerichtig wie die Berufung Oppermanns. Der Sauerländer Machnig gehört seit langem und nicht nur als Wahlkampfstratege zur Machtreserve der SPD; er war Staatssekretär sowohl im Bundesumwelt- als auch im Verkehrsministerium. Auch Hamburgs Justizsenatorin Jana Schiedeck soll ihr Fachwissen ins Kompetenzteam einbringen, heißt es weiter. Bestätigen mag das in der SPD niemand.

Offiziell bestätigt auch niemand, dass Steinbrück gerne die bekannte Bildungsexpertin Jutta Allmendinger als Unterstützerin gewinnen würde. Aber auch hier gilt, was für Oppermann und Machnig galt: Logisch wäre es aus SPD-Sicht schon, die parteilose Präsidentin des Berliner Wissenschaftszentrums für Sozialforschung anzuwerben, auch wenn mit der rheinland-pfälzischen Bildungsministerin Doris Ahnen eine profilierte Alternative mit Parteibuch zur Verfügung stände.

Auch wenn der Kandidat und seine Helfer den Eindruck erwecken, als ob ihnen die Spekulationen ein wenig lästig seien: Wirklich unrecht sind sie ihnen nicht. Noch jedes Kanzlerkandidaten-Kompetenzteam hat sich dadurch ausgezeichnet, dass seine Mitglieder nicht auf einen Schlag bekannt geworden sind, sondern nach und nach. Und noch jedes Mal hat das Kanzlerkandidaten-Strategieteam dafür gesorgt, dass es so kommt. Schließlich sorgt das heitere Personenraten allemal für öffentliches Interesse im Wahlkampf. Im aktuellen Steinbrück-Team kann man das Raten ja sogar auf die inhaltliche Positionen ausdehnen. Ob der Ex-Finanzminister eigens einen Kompetenzler für Finanzen ernennt, ist zum Beispiel unklar – Fraktionsvize Joachim Poß wäre dann eine logische Wahl. Fraglich ist auch, ob es ausdrücklich einen Außenpolitiker im Team geben wird. Denn erstens ist zumindest die Europa- und die „große“ Außenpolitik ja in Deutschland seit langem Kanzlersache. Und zweitens steht mit dem Ex-Außenminister Steinmeier ein unzweifelhaft Kompetenter in der erweiterten Spitzenmannschaft. Steinmeier will sich allerdings als Fraktionschef die Freiheit des Generalisten erhalten, der zu allen Themen etwas sagen darf.

Für Steinbrück kann das Team nur hilfreich sein. Seit er viel früher als geplant ins Rennen gegen Merkel gehen musste, ist er der Allzuständige gewesen. Demnächst kann er Kompetenzen delegieren. Für den Kandidaten ist das eine Entlastung. Für einen Kanzler wäre es ohnehin die schiere Notwendigkeit. (mit dpa)

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