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Politik: …wir aufstehen

Es gibt Geher, Sitzer und Steher. Es gab auch mal einen Hüpfer.

Es gibt Geher, Sitzer und Steher. Es gab auch mal einen Hüpfer. Aber Hans Rosenthal ist nicht mehr. Ein bekannter Geher ist zum Beispiel Ulrich Meyer, der aus dem Fernsehen, aus Akte 05. Einmal, da wollten sie Meyer ein kleineres Studio anbieten. „Vergesst meine Gänge nicht“, antwortete Meyer voller Empörung. Philosophisch betrachtet kommt der Ausspruch sehr nah an Archimedes heran. Zumindest klingt er ähnlich wie „Störe meine Kreise nicht.“ Statistisch gesehen aber sind Geher stark überschätzt.

Die Sitzer sind in großer Überzahl. Claus Kleber und Marietta Slomka vom HeuteJournal sitzen. Ulrich Wickert und Anne Will von den Tagesthemen sitzen auch. Das Sitzen in den Tagesthemen und im Heute-Journal hat eine lange Tradition. Im Grunde genommen wurde seit Einführung des Fernsehens bei den Nachrichten immer gesessen. Nun jedoch geht der Trend eindeutig zum Stehen.

Wenn der Kanzler eine Pressekonferenz abhält, dann steht er. Sein Außenminister steht daneben. Der sieht allerdings so aus, als wäre er noch Sitzer. Rein redetechnisch ist Stehen viel vernünftiger. Das Zwerchfell wird nicht zusammengedrückt, und die Bauchatmung zirkuliert. Das hat keinen Einfluss auf den Inhalt der Rede, aber auf die klare Aussprache. Sitzen beim Reden drückt bestenfalls Gemütlichkeit aus. Meistens hingegen Bräsigkeit. Beides können wir derzeit im Land nicht gebrauchen. Stehen ist Aufbruch.

Anne Will will auch aufbrechen. Anne Will will künftig stehen bei der Moderation der Tagesthemen. Das ist eine Revolution und ein Signal. Sie will vom Stehtresen aus moderieren. Stehtresen sind die ausgemärte Form des Stehpultes. Am Stehpult hat Albert Einstein die Relativitätstheorie entwickelt und Günter Grass alle seine Romane geschrieben. Stehpulte verleihen Gelehrsamkeit und Weisheit (das ist aber ein weites Feld und gelingt nicht immer).

Ein Stehtresen hat einen Nachteil. Wenn zwei Menschen daran stehen, sieht man den Größenunterschied. Wenn der Stehtresen für Ulrich Wickert (1,96 Meter) gebaut ist, spricht Nachrichtensprecher Jan Hofer (1,72) unter dem Tresen. Umgekehrt geht es auch nicht.

Es ist aber gut, dass bei den Tagesthemen keine Gäste ins Studio kommen. Wenn zum Beispiel der Kanzler ins Studio käme und mit Wickert plauderte, müsste der Kanzler auf eine Bierkiste steigen. Das sieht dann nicht nach Aufbruch aus. Beim Außenminister wäre außerdem die Gefahr, dass die Bierkiste zusammenkracht. Das ist unvorteilhaft.uem

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