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Politik: „Wir brauchen eine neue Führung der Palästinenser“

Israels Botschafter Stein über die Zukunft des Friedensprozesses

SCHIMON STEIN (55)

ist seit 2001 israelischer Botschafter in Deutschland. Er studierte Geschichte an der Hebräischen Universität von Jerusalem

Foto: Mike Wolff

Herr Botschafter Stein, wie soll es denn nun weitergehen in Nahost? Ist die Road Map tot?

Die Road Map war ein Instrument für die Implementierung der Vision des amerikanischen Präsidenten von zwei Staaten. Sie bleibt bestehen und es ist auch die Vorstellung der Israelis, dass am Ende der politischen Verhandlungen ein palästinensischer Staat neben Israel entstehen wird. Es kommt jetzt darauf an, wie lange es dauern wird, bis wir das verwirklichen können. Der zweite Punkt ist eine neue palästinensische Führung. Das fordern eigentlich alle, die Europäer, die Amerikaner, wir, zum Teil gilt das glaube ich auch bei den Palästinensern und auch bei den arabischen Staaten hat die Begeisterung für Arafat erheblich abgenommen. Eine neue Führung wäre also angebracht. Der dritte Punkt sind grundlegende Reformen in der palästinensischen Autonomiebehörde. Eines muss klar sein, es wird keine Behörde oder später einen Staat geben können, der ein „failed state“, ein gescheiterter Staat ist. Deshalb muss es Reformen geben.

Tragen Sie mit der Ausweisung Arafats nicht dazu bei, dass es zu einem gescheiterten Staat in den besetzten Gebieten kommt? Mit ihm würde wahrscheinlich ein großer Teil der FatahFührung ins Exil gehen. Zurück bliebe eine geschwächte Autonomiebehörde und eine gestärkte Hamas. Kann das im Interesse Israels sein?

In unserem Interesse ist es, dass wir es mit einer Führung zu tun haben, die einhält, was sie sagt. Für mich war solch eine Person Ministerpräsident Abbas, weil er als palästinensischer Nationalist vor anderthalb bis zwei Jahren zu dem Schluss gelangt war, dass die Militarisierung der Intifada ein strategischer Fehler war und deshalb eine Abkehr von dieser Politik verlangt hatte.

Auch der neue Premier Achmed Kurei (Abu Ala) ist als arabischer Nationalist bekannt, der die militärische Intifada für einen Fehler hält. Können Sie sich vorstellen, mit ihm zu verhandeln?

Eines der genannten Prinzipien war das einer neuen Führung. Abu Ala zählt nicht dazu, er gehört zur alten Garde.

Dazu gehörte aber auch Abbas.

Von Abu Ala habe ich aber noch keine Rede gehört wie die von Abbas, der Arafat vorgeworfen hat, einen strategischen Fehler mit der Militarisierung der Intifada begangen zu haben. Aber auch wenn Abu Ala nicht unseren Vorstellungen von einer neuen Führung entspricht, so wollen wir uns damit im Moment nicht beschäftigen, sondern mit dem Weg. Das bedeutet für uns die Einstellung des Terrors.

Im Moment sieht es so aus, als könnte Arafat gar nicht ausgewiesen werden, weil der Druck der Amerikaner so groß ist. War die ganze Ausweisungsentscheidung am Ende nicht ein komplettes Desaster? Arafat ist weiter in Ramallah – und plötzlich auch wieder unangefochtener Führer der Palästinenser.

Ich glaube, die wenigsten haben sich die Mühe gemacht, den Beschluss der Regierung sorgfältig zu lesen. Da ist weder von Ausweisung noch von Liquidierung die Rede.

Arafat wird dort als Hindernis bezeichnet, das beseitigt werden soll.

Es steht dort aber nicht wie und nicht wann. Aber alle sagen, dass Arafat ein Problem ist. Und wir versuchen mit diesem Problem fertig zu werden. Wir sind die einzigen, die sich momentan darüber Gedanken machen, während alle anderen uns nur kritisieren, ohne uns zu sagen, wie wir dieses Problem sonst lösen sollen.

Das Gespräch führten Stephan-Andreas Casdorff und Clemens Wergin.

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