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Politik: „Wir lassen uns nicht provozieren“

Vertriebenen-Präsidentin Erika Steinbach fordert öffentliches Geld für das „Zentrum gegen Vertreibungen“

In der kommenden Woche soll ein GedenkNetzwerk mehrerer Staaten seine Arbeit aufnehmen, das sich mit Vertreibungen befassen soll. Wozu dann noch ein „Zentrum gegen Vertreibungen“ in Berlin?

Wir müssen uns bewusst werden, wer wir sind und wo wir herkommen. Haben wir nicht längst eine neue, gemeinsame Identität aus Binnendeutschen und Heimatvertriebenen? Es gibt viele einzelne Museen für Ostpreußen oder Pommern, doch keine Gesamtsicht. Das ist ein Defizit in der historischen Betrachtung. Das Zentrum soll dem abhelfen – und eine Solidarität der Opfer von Vertreibungen in Europa herstellen.

Polens Präsidentschaftskandidat Lech Kazcynski sieht in dem „Zentrum“ ein Konzept, in dem Polen als Täter dargestellt werden sollen und Deutsche als Opfer.

Man muss sich daran gewöhnen, dass auch wir Deutschen um Menschen trauern. Wir wollen die Vergangenheit so darstellen, wie sie gewesen ist. Wir wissen, wer den Weltkrieg begonnen hat. Und in Polen weiß man durchaus um die eigene Verantwortung zur Vertreibung der Deutschen. Da aber unsere Völker durch vieles verbunden sind, dürfen wir gerade deshalb Erfahrungen nicht verschweigen, die Schmerzen bereiten und Opfer gefordert haben.

Sollten die betroffenen Staaten sich nicht gemeinsam unter ein Dach begeben, wie die Bundesregierung das mit dem „Netzwerk für Gedenken und Solidarität“ vorsieht?

Dass das kaum zu schaffen ist, sehen wir an dem Netzwerk. Nur vier Staaten sind dabei, die Balten und die Nachfolgestaaten Ex-Jugoslawiens wurden gar nicht gefragt. Sie können lange warten, bis das Thema europaweit umfassend behandelt wird – sehen sie nur, wie die Türkei mit der Vertreibung der Armenier umgeht.

Der Bundestag will ein europäisches Gedenken.

Wir haben bei unseren Nachbarn in Osteuropa eine Debatte angestoßen, die überfällig war. Das ist ein schöner Erfolg. Und wir sind europäisch ausgerichtet.

Sie sind Präsidentin eines deutschen Interessenverbandes.

Das Zentrum ist eine deutsche Stiftung, die sich auch mit unserem eigenen Schicksal beschäftigt. Das muss unsere Nachbarn erst einmal gar nicht berühren – wir mischen uns ja auch nicht in deren Gedenken ein, sondern halten es für selbstverständlich, dass sie um ihre Opfer trauern.

Die Union hat sich in ihrem Wahlprogramm für ein Zentrum in Berlin ausgesprochen. Erwarten Sie öffentliche Gelder?

Wenn man das Zentrum will, dann muss man auch die Mittel zur Verfügung stellen. Wir brauchen eine öffentliche Förderung aus Bundesmitteln. Von Länderseite haben wir bereits entsprechende Signale erhalten.

Für das Miteinander von Vertriebenen und Einheimischen ist die hohe Politik eher störend, haben Sie kürzlich gesagt. Sehen sie sich unschuldig an den Reaktionen aus Polen zum Vertreibungszentrum?

Warum sollten wir daran schuld sein? Wir gehen mit der Thematik wahrhaftig um und lassen uns nicht provozieren. Doch es waren deutsche Politiker, die unsere Stiftung und deren Anliegen in Polen erst diskreditiert haben und Ängste weckten. Offenbar fürchten sie sich vor der Wahrhaftigkeit.

An ihrer Unbeliebtheit in Polen sind deutsche Politiker schuld?

Zumindest hat kaum jemand versucht, den Polen die Ängste zu nehmen und unsere Positionen zu erklären. Wir wollen die Geschichte nicht umschreiben. Ich bin den Polen jedenfalls nicht gram.

Mit der BdV-Präsidentin sprach Sebastian Bickerich.

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