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Politik: „Wir müssen den Balkan in die EU aufnehmen“ Tschechiens Außenminister Schwarzenberg über die Grenzen Europas und Defizite der Ukraine

Will Tschechien die EU-Osterweiterung vorantreiben und nach Kroatien bald auch die Ukraine integrieren?Nach Kroatien müssen wir erst einmal auch den westlichen Balkan in die EU mit aufnehmen.

Will Tschechien die EU-Osterweiterung vorantreiben und nach Kroatien bald auch die Ukraine integrieren?

Nach Kroatien müssen wir erst einmal auch den westlichen Balkan in die EU mit aufnehmen. Solange wir das nicht getan haben, pflegen wir mit großem Eifer eine Zeitbombe direkt neben uns. Der Balkan kommt niemals zur Ruhe, wenn die Grenzen nicht endlich durchlässiger und damit unwichtiger werden, wie das nur in der EU möglich wurde. Zudem schaffen wir mit der dortigen Arbeitslosigkeit von bis zu 60 Prozent nur soziale Unruhen.

Also Serbien und selbst Albanien vor der Ukraine?

Für uns kommen die Moldau und die Ukraine erst als Zweites. Darin unterschiedet sich unser Standpunkt von der polnischen EU-Ratspräsidentschaft. Aber die Gespräche mit der Ukraine verlaufen ganz gut, und die Moldau macht enorme Reformanstrengungen. Das alles wird jedoch noch Jahre dauern. Irgendwann gelingt diese EU-Integration aber schon.

Sie loben die Verhandlungen mit der Ukraine – die Freiheiten dort werden aber immer weiter eingeschränkt, wie auch der Prozess gegen Julia Timoschenko zeigt.

Die Ukraine weiß genau, dass sie da noch gewaltige Reformen vor sich hat – auch politische.

Wird sich Tschechien gegen ein Assoziationsabkommen mit der Ukraine stemmen, wenn nicht alle Bedingungen erfüllt sind?

Wir würden sagen: Bitte haltet euere eigenen Kriterien ein! Dabei würden wir bestimmt von mehreren Ländern unterstützt. Ich glaube nicht, dass die EU aus rein wirtschaftliche Überlegungen die Rahmenbedingungen verraten wird.

Kann die EU auch auf Weißrussland Einfluss nehmen?

Nur begrenzt. Die EU würde gerne helfen, wenn Lukaschenko sich für Reformen und eine Annäherung entschiede, anstatt sein Land ganz an Russland zu verkaufen. Die EU wird ihm diesmal aber zu verstehen geben, dass sie wirkliche Reformen will.

Tschechien war bisher in Weißrussland sehr aktiv und immer sehr prinzipiell...

Am meisten unternehmen eben jene, die ähnliche Regime miterlebt haben. Diejenigen, die das nicht erlebt haben, wissen nicht, was Totalitarismus bedeutet.

Ist die EU noch etwas Erstrebenwertes?

Das ist dasselbe wie mit der Demokratie, von der Churchill gesagt hat, sie sei die schrecklichste aller Regierungsformen – abgesehen von all den anderen Formen, die von Zeit zu Zeit ausprobiert worden seien. Die Isländer und die Schweizer können noch entscheiden, für das viel ärmere Tschechien führte kein Weg an der EU vorbei. Für die Schweiz ist es so, wie mir einmal ein Bauer in Österreich gesagt hat: „Mit vollen Hosen ist leicht stinken!“

Karel Schwarzenberg (73) war nach der Wende in der Tschechoslowakei Mitarbeiter von Präsident Vaclav Havel. Seit 2007 ist er Außenminister in Prag. Die Fragen stellte Paul Flückiger.

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