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Politik: „Wir müssen die Jungen entgiften“

Der sudanesische Bischof Paride Taban über die Folgen des Bürgerkriegs

In Afrika gab es in den letzten Wochen katastrophale Überschwemmungen. Wie ist die Lage im Sudan?

Durch den Krieg sind fast alle Straßen zerstört, jetzt sind sie endgültig unpassierbar. Die Ernte ist kaputt, Baumaterial, was wir hatten, ist weggeschwemmt worden. Die Bevölkerung kann nur noch durch die Luft versorgt werden. In meiner Diözese Torit im Süden ist etwa eine Million Menschen betroffen, die Hälfte von ihnen sind Flüchtlinge aus anderen Teilen des Landes.

Sie sind Bischof seit 1980, wie ist die Lage der sudanesischen Christen heute?

Wir hatten 22 Jahre Bürgerkrieg. Seit zwei Jahren gibt es einen Friedensvertrag – jetzt geht es vor allem darum, die jungen Leute auszubilden. Es fehlt an allem, an Schulen, an Schulbüchern und an qualifizierten Lehrern. Ein anderer Schwerpunkt ist die Arbeit mit vom Krieg traumatisierten Menschen. Sie brauchen Therapie und Hilfen. Auch wir Bischöfe haben in den letzten Jahren psychologische Hilfe erhalten bei der Bewältigung unserer Traumatisierungen, unterstützt von der deutschen Kirche.

Welche Spuren hat der Krieg bei jungen Leuten hinterlassen?

Sie haben nur Krieg, Krieg und noch mal Krieg erlebt. Bei Konflikten kennen sie nur eine Lösung: Gewalt. Das haben sie sich bei den Soldaten abgeschaut. Wir müssen die jungen Leute davon „entgiften“. Wir müssen sie ausbilden, wir müssen sie erziehen, wir müssen ihnen ihre eigene Kultur wieder nahebringen. Werte wie Respekt, Liebe, Teilen, Mitleid und Vergebung sind verloren gegangen – wir müssen sie wieder aufrichten.

Wie sind die Beziehungen heute zwischen Christen und Muslimen?

An der Basis zwischen den Menschen gibt es keine Probleme. Ich stamme zum Beispiel aus einer armen Familie, meine Schulgebühren hat damals ein wohlhabender Muslim bezahlt. Sein Sohn lebt heute in Deutschland, ich habe ihn hier in Berlin getroffen. Auf der politischen Ebene sieht es anders aus. Im sudanesischen Islam gibt es starke fundamentalistische Strömungen. Schon in den 90er Jahren habe ich in den USA bei vielen Gelegenheiten vor den Folgen des islamischen Fundamentalismus im Sudan gewarnt. Ich habe gesagt, dies wird sich in die ganze Region ausdehnen. Niemand in Washington hat mir das geglaubt – bis dann der 11. September kam.

Die internationale Aufmerksamkeit richtet sich mittlerweile nicht mehr auf den Nord-Süd-Konflikt, sondern auf die Mordtaten in Darfur im Westen. Tut die internationale Gemeinschaft genug?

Ich halte den Einsatz der UN für absolut richtig. Wir können diesen Konflikt nicht alleine lösen. Doch die starke Konzentration auf Darfur ist auch eine Gefahr. Denn Darfur und der Süden gehören zusammen, sie dürfen nicht getrennt werden. Ich sage unseren Partnern immer, ihr müsst eure Füße in beiden Regionen haben. Wenn ihr wegen Darfur das Friedensabkommen von 2005 vergesst, das den Bürgerkrieg zwischen Norden und Süden beendete, werdet ihr auch den Darfurkonflikt nicht lösen.

Das Gespräch führte Martin Gehlen.

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