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Politik: „Wir müssen uns breiter aufstellen“

FDP-Vorstandsmitglied Daniel Bahr fordert bessere Antworten für Familien

Herr Bahr, was hat für den jüngsten FDPBundestagsabgeordneten Generationengerechtigkeit mit Liberalismus zu tun?

Liberalität heißt Verantwortung und Freiheit. Es ist unverantwortlich, die Freiheitschancen künftiger Generationen einzuschränken. Eine Politik, die künftigen Generationen keine übermäßigen Lasten aufbürdet, ist liberal, weil sie verantwortlich die Freiheitschancen der kommenden Generationen wahrt.

Was bedeutet Liberalismus?

Liberalismus bedeutet, die Freiheitschancen aller Menschen zu mehren und den Staat nur dort eingreifen zu lassen, wo nicht ein freiheitliches, ein auf der Grundlage der Vielfalt organisiertes System die bessere Lösung schafft. Diese Definition hat sich seit der Entstehung des Liberalismus in meinen Augen nicht geändert, nur der Staat und die Rahmenbedingungen haben sich geändert.

Ist Deutschland ein liberales Land?

Ja, aber trotzdem könnte es noch liberaler werden. Deutschland ist durchaus freiheitlich orientiert. Ich sehe aber mit Sorge, dass gerade in den neuen Bundesländern in Umfragen die Ordnung oder auch die Gleichheit höher gewichtet werden als der Wert der Freiheit. Das nimmt leider auch im Westen zu. Zudem sinkt das Vertrauen in die Überlegenheit der Marktwirtschaft.

Hat Sie das Ausmaß des Widerstands gegen die Arbeitsmarktreform überrascht?

Nein, das hat mich nicht überrascht. Ich habe mit Widerstand gerechnet. Alle Parteien haben hier Respekt verdient, weil sie es gemeinsam geschafft haben, den Demonstrationen und einer verbreiteten Stimmung zu widerstehen. Sicher erleben von der Reform Betroffene Einschnitte, hat für sie Sicherheit einen höheren Stellenwert als Freiheit. Aber wenn die Aspekte der Freiheit und der Sicherheit oder Gleichheit in Konflikt geraten, sind wir Liberale gut beraten, im Zweifel die Freiheit zu verteidigen.

Früher hatten Sie einmal einen sozialliberalen Flügel. Ist die FDP gut aufgestellt, um in Zeiten sozialer Umbrüche diese Botschaft zu vertreten?

Soziale Kompetenz bedeutet heute, die Sozialversicherungen umzubauen, damit gerade Schwächere in einigen Jahren nicht die Leidtragenden sind. Wir Liberalen müssen uns breiter aufstellen und mehr Themen besetzen. Es reicht nicht, wenn wir nur in der Steuerpolitik Kompetenz zeigen. Wir haben uns nun auch auf den Feldern Gesundheit und Bildung profiliert. Die klassischen Bürgerrechtsthemen müssen in unserem liberalen Angebot stärker nach vorne. Zu unseren wichtigsten fünf Themen muss künftig das Thema Verantwortungsgemeinschaften und Familie gehören. Da sind wir bisher noch zu schwach aufgestellt.

Warum soll Familienpolitik für Liberale ein wichtiges Thema werden?

Wir sehen, dass sich sehr viele junge Menschen nach Kindern sehnen, den Wunsch aber nicht verwirklichen können. Gleichzeitig messen junge Menschen in Umfragen dem Wert der Familie und der Verantwortung den höchsten Stellenwert bei. Deshalb muss liberale Politik auf solche Probleme bessere Antworten geben. Das haben wir bisher vernachlässigt.

Warum gelingt es liberalen Parteien in anderen europäischen Ländern, auch mit einem stärker sozial ausgerichteten Angebot erfolgreicher zu sein als die FDP?

Weil sie in anderen Ländern eine weniger stark ausgeprägte Parteibindung haben als in Deutschland. So gibt es etwa in den Niederlanden oder Italien viel mehr Wechselwähler. Der zweite Grund ist, dass diese Parteien sich inhaltlich breiter aufstellen als die FDP. Die Verengung der FDP in den 90er Jahren allein auf das Thema Steuerpolitik hat uns zu sehr beschränkt. Ich habe aber den Eindruck, dass wir daraus gelernt haben.

Ist es für die FDP ein Problem, dass sie Deregulierung, Selbstverantwortung früher als andere stark gemacht hat und nun erleben muss, dass dieses Programm bis hinein in die SPD gewirkt hat, aber von anderen politischen Kräften praktiziert wird?

Das halte ich nicht für ein Problem. Die Menschen können sehr gut zwischen Kopie und Original unterscheiden. Wir erleben das gerade bei der Union, die in der Gesundheitspolitik unseren richtigen Ansatz kopiert. Aber weil ihr die Überzeugung fehlt, knicken ihre Politiker ein. Wir sind das Original. Wir müssen sagen, dass wir einen Systemwechsel in der Gesundheitspolitik brauchen, der Wettbewerb schafft und Rücklagen für das Alter aufbaut.

Die Fragen stellte Hans Monath.

Daniel Bahr (28)

sitzt für die FDP im Bundestag und kümmert sich um Gesundheits- und Sozialpolitik. Der Volkswirt aus Münster war bis zum Frühjahr Chef der Jungen Liberalen.

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