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Politik: „Wir müssen uns zu Darfur deutlicher verhalten“

Günter Nooke, Menschenrechtsbeauftragter der Bundesregierung, über die Lage im Sudan, die Haltung zu Russland und die UN

Herr Nooke, welches Problem hat den Menschenrechtsbeauftragten der Bundesregierung im ablaufenden Jahr am meisten umgetrieben?

Am meisten bewegt hat mich meine Reise in den Sudan im August und die Einsicht, wie schwer es ist, dort die Menschen in den Lagern und Dörfern zu schützen. Ich habe mit Flüchtlingen geredet, die gerade aus ihren Dörfern vertrieben worden waren, und mit Ehemännern, deren Frauen am Tag zuvor vergewaltigt worden waren. Es gibt unzählige dieser Lager in Darfur. Eigentlich müsste man jede Einrichtung mit Hunderten von Soldaten bewachen, um Sicherheit für die Menschen zu schaffen.

Der scheidende UN-Generalsekretär Kofi Annan nennt Darfur die größte Tragödie der Gegenwart. Warum positioniert sich die Bundesregierung nicht stärker – auch dann, wenn niemand eine Lösung hat, das Morden zu beenden?

Kofi Annan hat recht. Hunderttausende wurden getötet, über zwei Millionen vertrieben, die Lage wird immer schlimmer. Ich habe mich zu Darfur immer wieder geäußert. Natürlich sieht die deutsche Politik da ein Problem: Je lauter die Bundesregierung über Darfur redet, je eher muss sie damit rechnen, dass andere Regierungen nach deutschen Soldaten rufen. Es sind ja schon einige wenige deutsche Soldaten im Sudan eingesetzt.

Aber Sie würden sich eine stärkere politische Gewichtung für das Thema wünschen?

Auch ohne Aussicht auf eine schnelle Lösung zur Beendigung des Mordens müssen wir uns deutlicher als bisher zu dieser Herausforderung verhalten. Wir müssen diese Wahrheit aushalten. Aber die Beispiele Irak und Afghanistan lassen jeden davor zurückschrecken, gegen den Willen der Regierung in Khartum eine Invasion mit Soldaten zu fordern.

Sie sind zehn Monate im Amt. Wie lautet Ihre Bilanz?

Für die Bundesregierung und mich ziehe ich eine positive Bilanz. Wir haben es geschafft, an wichtigen Punkten menschenrechtliche Akzente zu setzen. Gerade im Umgang mit China und Russland wird das Verhalten von Kanzlerin Angela Merkel und Außenminister Frank-Walter Steinmeier anders wahrgenommen als das der Vorgängerregierung. Dass das Menschenrechtsthema etwas öffentlicher geworden ist und deutlich wurde, wie wir um Menschenrechte kämpfen, hat auch mit meiner Arbeit zu tun.

Gilt Ihre positive Bilanz auch für den Umgang der deutschen Außenpolitik mit Russland?

Ja. Der Außenminister hat sich bei seinem Besuch in Moskau vor Weihnachten dafür eingesetzt, dass die Morde aufgeklärt werden. Mit dem Treffen mit Putin-Kritiker Kasparow und mit Vertretern der Zivilgesellschaft hat er deutlich gemacht, dass Russland sich an seine eigenen Werte halten muss. Russland ist kein Land, dem Menschenrechte fremd sind. Seine Intellektuellen und Künstler haben das europäische Bild vom Menschen wesentlich mitgeprägt. Leider hat sich die Lage der Menschenrechte wie auch die Presse- und Meinungsfreiheit in Russland in den letzten Jahren verschlechtert.

Teilen Sie die Kritik mancher Unions-Außenpolitiker, wonach in der Russlandstrategie des Auswärtigen Amtes der Hinweis auf Fehlentwicklungen fehlt?

Die Kritik war insgesamt nicht berechtigt. Der Außenminister hat immer gesagt, dass Deutschland und Russland, die EU und Russland sich auf der Basis ihrer gemeinsamen Werte annähern müssen und dass Menschenrechte dabei immer eine wichtige Rolle spielen. Wir müssen natürlich auch umsetzen, was wir ankündigen. Das offene Wort im vertraulichen Gespräch ist keine hinreichende Russlandstrategie. Entscheidungen in der Energiepolitik, etwa die zur Ostsee-Gaspipeline, haben einige EU-Partner vor den Kopf gestoßen. Aber das ist keine Menschenrechtsfrage, wenn ich von den russischen Haftbedingungen für die Jukos-Manager Chodorkowski und Lebedjew absehe. Die halte ich für einen Skandal, der im Gegensatz zu Guantanamo aber nur wenige aufregt.

Sie haben wegen des Todesurteils gegen fünf bulgarische Krankenschwestern und einen palästinensischen Arzt in Libyen gefordert, die Entwicklungshilfe zu überprüfen. Welche Mittel zur Einflussnahme bleiben noch, wenn die Entwicklungsministerin sagt, Deutschland leiste gar keine Hilfe?

Wir haben keine bilaterale Entwicklungszusammenarbeit. Aber Deutschland hat auch schon versucht, mit finanziellen Anreizen die libysche Regierung gewogen zu stimmen. Wenn solche Freundlichkeiten ohne Reaktion bleiben, muss man sich überlegen, wie wir auf andere Weise deutlich machen, dass wir uns nicht an der Nase herumführen lassen. Möglich sind etwa Reiseverbote gegen Verantwortliche oder die Sperrung von Konten dieser Personen. Wenn Menschenrechtsverletzungen so massiv als deutliches Signal nach außen genutzt werden, muss man reagieren.

In die Reform des UN-Menschenrechtsrats wurden große Hoffnungen gesetzt. Nun wurden doch wieder Staaten hineingewählt, die massiv Menschenrechte verletzten. Sind Sie darüber enttäuscht?

Ich persönlich hatte nie überbordende Hoffnungen. Beim Thema Menschenrechte hilft ein falscher, naiver Idealismus nicht weiter. Auch im Menschenrechtsrat geht es um Machtpolitik, die Botschafter setzen knallhart die Weisungen ihrer Regierungen um. Oft ist das Interesse an mehr politischem Einfluss größer als das am Schutz der eigenen Bevölkerung. Wir müssen noch mehr Öffentlichkeit herstellen. Keinem Regime in der Welt ist es egal, wenn es ständig mit Menschenrechtsverletzungen in Zusammenhang gebracht wird. Ich muss allerdings zugeben, als ich auf meiner ersten Sitzung des Menschenrechtsrats in Genf im Juni zwischen Algerien und Saudi-Arabien Platz nehmen musste, habe ich mich schon gefragt: Bist du nun im richtigen Film?

Das Gespräch führte Hans Monath.

Günter Nooke (47) ist Beauftragter der Bundesregierung für Menschenrechtspolitik. 1998 bis 2005 war er CDU-Bundestagsabgeordneter, davor war er für das Bündnis 90 in Brandenburg aktiv.

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