zum Hauptinhalt

Politik: „Wir reden vom Ernstfall“

Außenminister Steinmeier über den Atomkonflikt mit dem Iran, den Kongo-Einsatz und die BND-Affäre

Herr Minister, gibt es eine schwarz-rote Außenpolitik im Gegensatz zur rot-grünen?

Diese Frage müssen die Bürger selbst entscheiden. In den langen Linien deutscher Außenpolitik sehe ich jedenfalls Kontinuität. Viele politische Beobachter haben ja erwartet, dass die Außenpolitik zu großen Konflikten zwischen Union und SPD führen wird. Wir haben aber gezeigt, dass wir uns in wichtigen außenpolitischen Themen – etwa in unserem Verhältnis zu den USA, zu Russland und zu China – innerhalb des Kabinetts und der Koalition nicht auseinander dividieren lassen.

Ist es nicht so, dass die Regierung Schröder international polarisiert hat, während die Regierung Merkel viel stärker vermittelt – gerade im Verhältnis zu Washington, Moskau und Peking?

Das ist ein falscher Eindruck. Die Außenpolitik der früheren Regierung war nicht auf Polarisierung angelegt. Vielmehr wurden wir in der Frage eines militärischen Vorgehens gegen den Irak vor die Entscheidung gestellt. Und wir hatten gute Gründe zur Annahme, dass der Irak entgegen den Behauptungen nicht über Massenvernichtungswaffen verfügte. Das hat uns mit Washington zeitweise auseinander gebracht. Die Situation ist heute eine andere.

Heute fürchten viele, dass der Iran Atommacht werden will.

Wir befinden uns tatsächlich in einer sehr ernsten Lage. Deshalb beschäftigt den deutschen Außenminister im Moment vor allem der Versuch, in diesem Konflikt eine Lösung zu finden. Wir reden ja nicht nur von der Gefahr, dass der Iran in absehbarer Zeit tatsächlich über die Atombombe verfügt. Allein eine iranische Option auf die Atombombe wäre ein enormer Unsicherheitsfaktor. Es bestünde die Gefahr eines atomaren Wettrüstens in einer ohnehin instabilen Weltregion.

Erwartet nicht Ihre Partei, die SPD, gerade von Ihnen Kontinuität in der Frage von Krieg und Frieden?

Ja, zu Recht. Gleichzeitig gilt: Das eine Drehbuch für die Lösung internationaler Konflikte gibt es nicht. Jeder Konflikt hat unterschiedliche Ursachen, und man braucht für die Lösung unterschiedliche Ansätze. Ich warne davor, Lösungsmöglichkeiten aus dem Irak-Konflikt auf einen Konflikt zu übertragen, der ganz anders verläuft. Im Irak ging es um die Frage, ob wir in einer Koalition der Willigen an einer Militäraktion gegen ein Regime teilnahmen, das nach Überzeugung der Amerikaner Massenvernichtungswaffen besaß. Wir waren davon nicht überzeugt. Im Iran geht es um die Frage, wie die internationale Staatengemeinschaft unter Beteiligung von Russland und China eine iranische Nuklearrüstung und eine Eskalation des Konflikts mit diplomatischen Mitteln verhindern kann.

Stehen Sie zu dem Satz des Ex-SPD-Vorsitzenden Matthias Platzeck: „Die militärische Option muss vom Tisch“?

Natürlich. Ich arbeite dafür, dass auf dieser Welt keine militärische Lösung Platz greift.

Was bedeutet im Ernstfall die deutsche Zusage, das Existenzrecht Israels zu verteidigen?

Das tun wir, wir verteidigen das Existenzrecht Israels.

Wir reden vom Ernstfall.

Wir sind, wenn Sie so wollen, im „Ernstfall“. Der Iran-Konflikt ist die ernsteste Krise, mit der ich als politisch Verantwortlicher zu tun hatte. Ich hoffe, Sie unterstellen uns nicht, dass wir unsere Aufgabe nicht ernst nehmen.

Irans Staatschef Ahmadinedschad hat wiederholt die Vernichtung Israels propagiert. Hätte Israel Deutschlands uneingeschränkte Solidarität, wenn es sich zu einem Präventivschlag gegen den Iran entschlösse?

Israel weiß, was es an Deutschland hat. Wir arbeiten Tag und Nacht hart daran, dass es zu keiner weiteren Eskalation kommt und militärische Optionen, wo auch immer sie erwogen werden, überflüssig bleiben.

Die EU-Außenminister arbeiten an einem neuen, zweiten Anreizpaket für den Iran, um ihn zur Kooperation in der Nuklearfrage zu bewegen. Warum sollte er diesmal annehmen?

Wenn wir über das Anreizpaket sprechen, dürfen wir nicht den zweiten Schritt vor dem ersten tun. Die internationale Staatengemeinschaft ist sich einig: Das Atomprogramm des Iran ist Anlass zu ernster Sorge. Das Land hat seine Glaubwürdigkeit als Partner des Nicht-Verbreitungsvertrages in Frage gestellt. Der Iran hat 18 Jahre lang im Verborgenen Nuklearforschung betrieben. Nun muss Teheran seine Glaubwürdigkeit durch lückenlose Aufklärung und Transparenz der eigenen Aktivitäten wiederherstellen. Sonst kann kein Weg in die Verhandlungen gefunden werden. Aber: Wir haben gleichzeitig die Pflicht zu versuchen, diesen Konflikt beizulegen und uns nicht nur auf das Resolutionieren innerhalb des Sicherheitsrats zu beschränken. Natürlich kann kein EU-Außenminister und keine UN-Vetomacht eine Garantie geben, dass ein Verhandlungsangebot angenommen wird.

Noch mal: Warum sollte der Iran kooperieren?

Wir setzen darauf, dass das Anreizpaket einen Prozess des Nachdenkens im Iran befördert. Die Diskussion innerhalb der iranischen Elite ist breiter angelegt, als es die Äußerungen von Präsident Ahmadinedschad nahe legen. Es gibt in Teheran durchaus Kräfte, die den drohenden Schaden für das Land richtig einschätzen. Niemand weiß, wer sich am Ende durchsetzen wird.

Was hat der Iran denn zu befürchten?

Gerade wenn Achmadinedschad seine Wahlversprechung erfüllen will, nämlich Arbeitsplätze zu schaffen, für wirtschaftliches Wachstum zu sorgen, das Land in Forschung und Technologie stark zu machen, ist er auf internationale Zusammenarbeit angewiesen. Ohne einen regen Austausch kann der Iran das alles nicht leisten. Die internationale Isolierung, in die das Regime das Land zu führen droht, würde dem Iran schwer schaden.

Üben die Nachbarn des Iran genügend Druck auf das Regime aus?

Der Iran-Konflikt ist ein wichtiges Thema meiner Reise in die Golf-Staaten. Ich begrüße sehr, dass der Golf-Kooperationsrat gegen ein mögliches Nuklearpogramm des Iran Stellung bezogen hat. Trotzdem gilt: Die Golf-Staaten können noch deutlicher machen, dass die iranische Regierung im Interesse des gesamten Nahen und Mittleren Ostens selbst dafür sorgen muss, dass der Konflikt mit der internationalen Staatengemeinschaft nicht weiter eskaliert. Eine klarere Verurteilung des nuklearen Ehrgeizes der iranischen Regierung durch seine unmittelbare Nachbarschaft wäre ein wichtiges Signal, dass es hier eben nicht um einen Konfikt zwischen „dem Westen“ und dem Iran geht.

Welche Rolle spielt die instabile Lage im Irak bei Ihrer Reise?

Die Lage im Irak bleibt Besorgnis erregend. Nach den nunmehr erfolgten Wahlen muss sich die internationale Staatengemeinschaft darauf einstellen, bei diesem Prozess noch mehr zu helfen als bisher. Größtes Hemmnis ist und bleibt die schwierige Sicherheitslage. Unter diesen Umständen leistet Europa bereits einiges und wird dies auch weiter tun. Wir haben in der Runde der Europäischen Außenminister diese Woche darüber gesprochen. Wir werden als ersten Schritt den irakischen Ministerpräsidenten oder Außenminister in diese Runde einladen. Die EU-Troika wird nach Bagdad reisen, wenn die Sicherheitslage es zulässt.

Deutschland will nun auch in Afrika zur Stabilisierung beitragen. War die deutsche Öffentlichkeit vorbereitet auf den Einsatz im Kongo?

Eigentlich sollte es niemandem verborgen geblieben sein, dass die EU und wir schon lange für die politische Stabilisierung des Kongo viel leisten. Die EU hilft zum Beispiel schon lange beim Aufbau der kongolesischen Armee und Polizei, wir leisten erhebliche Finanzhilfe für die UN-Friedenstruppe. Auch hat sich die EU dort mit der Mission „Artemis“ bereits engagiert. Wir dürfen deswegen nicht so tun, als sei die europäische Militärmission im Kongo der Beginn eines Prozesses. Jetzt geht es vielmehr darum, mit den Wahlen und ihrer Begleitung eine europäische Investition in afrikanische Stabilität zu sichern und es dem kongolesischen Volk zu ermöglichen, eine Regierung zu bilden, die nicht von der Straße gefährdet wird.

Können die Deutschen sicher sein, dass der Kongo-Einsatz kein militärisches Abenteuer wird?

Es ist ein Einsatz zur Wahlbegleitung, nicht zur Beendigung von Kampfhandlungen, wie das etwa der „Artemis“-Einsatz im Norden des Kongos im Jahr 2004 war. Jede der kritischen Fragen, die dazu gestellt werden, habe ich mir selbst auch gestellt. Allerdings haben die Antworten mich davon überzeugt, dass dieser Einsatz richtig und verantwortbar ist.

Herr Minister, als früherer Kanzleramtschef waren Sie für die Geheimdienste verantwortlich. Hat die Politik in Ihrer Amtszeit die Kontrolle über den Bundesnachrichtendienst verloren?

Ganz sicher nicht. Die Politik hat sofort reagiert, als es 2005 erste Hinweise auf die Ausforschung von Journalisten gab. Ich selbst habe damals in meiner Eigenschaft als Kanzleramtschef sofort angeordnet, dass der BND selbst intern untersucht, welche Kontakte es zwischen dem Dienst und Journalisten gab. Der Bericht ging an das Parlamentarische Kontrollgremium und war dann die Grundlage dafür, dass dieses Gremium den ehemaligen BGH-Richter Schäfer als Sonderberichterstatter einsetzte.

Also gab es doch eine Phase, in der der BND eben nicht ausreichend kontrolliert wurde.

Diese Qualität der Kontakte zwischen dem Dienst und den Journalisten ergab sich weder aus dem Aufgabenkatalog des BND noch war sie aus der Aufgabe der Eigensicherung des BND ausreichend zu beantworten. Ich finde es richtig, dass das Kanzleramt dies am Anfang der Woche klargestellt hat.

Wie erklären Sie sich, dass die Missstände offenbar über einen längeren Zeitraum andauerten?

Ob es da eine strukturelle Ursache gab, ist offen. In dem Moment, da Fehler offenbar wurden, hat die Politik reagiert.

Haben Sie nach allem, was offenbar geworden ist, noch uneingeschränktes Vertrauen zu August Hanning, dem BND-Chef der Jahre 1998 bis 2005?

Ja. Hanning steht für die Öffnung und Modernisierung des Bundesnachrichtendienstes. Und ich darf daran erinnern, dass schon zu seiner Zeit als Koordinator im Bundeskanzleramt für die Nachrichtendienste der damalige BND-Präsident Geiger Weisung erteilt hat, dass Kontakte mit Journalisten vom BND-Präsidenten selbst genehmigt werden müssen.

Sind Sie Ihrer damaligen Rolle als Aufseher der Dienste gerecht geworden?

Der Schwerpunkt der Vorgänge, um die es jetzt geht, lag in den 90er Jahren. Mir sind, nachdem ich 1998 ins Kanzleramt kam, keine Hinweise bekannt geworden, wonach gegen die geltende Weisungslage des BND verstoßen wurde.

Aber auch nach 1998 hat es Vorgänge gegeben.

Über den Schäfer-Bericht ist bislang erst in den Medien berichtet worden, wie vollständig, weiß ich nicht. Dazu kann ich mich äußern, wenn der Bericht öffentlich ist.

Befürworten Sie die Veröffentlichung des Schäfer-Berichts?

Wenn das Verfahren der Geheimhaltung mehr Misstrauen schafft als Aufklärung, gibt es gar keine andere Alternative, als Aufklärung zu schaffen. In diesem Sinne ist die Entscheidung des PKG folgerichtig.

Die Fragen stellten Tissy Bruns, Stephan Haselberger und Hans Monath.

-

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false