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Politik: „Wir sind auf Europa angewiesen“

Der scheidende polnische Botschafter Byrt über die neue Regierung und ihr Verhältnis zu Deutschland

Das deutsch-polnische Jahr ist zu Ende. Hat es geholfen, Spannungen abzubauen?

Genau das war das Ziel des Projekts. Ich hätte mir allerdings gewünscht, dass der Schwerpunkt nicht auf die Kultur gelegt worden wäre, sondern auf unsere gemeinsame Geschichte. Denn die Kultur ist der einzige Bereich, in dem es keine Kritik gibt. Die Spannungen, die zwischen unseren Ländern entstanden sind – um den Einsatz im Irak, die EU-Verfassung, das Zentrum gegen Vertreibungen – haben ihre Wurzeln in unserer Geschichte. Ohne darüber zu reden, werden wir diese Spannungen auch in Zukunft nicht vermeiden können. Es fehlt an Gesprächen, in denen deutsche und polnische Bürger über die Zweideutigkeiten unserer gemeinsamen Geschichte reden können.

Was heißt das konkret?

In der Auseinandersetzung um die Ostseepipeline gab es unerwartete Aussagen unseres Verteidigungsministers, der von einem Molotow-Ribbentrop-Pakt sprach. Er hat ausgesprochen, was viele Menschen in Polen denken. Das war inhaltlich unzutreffend. Denn der Vergleich suggeriert, dass es ein geheimes, gegen Polen gerichtetes Zusatzprotokoll gegeben hat. Das ist nicht der Fall. Aber die deutsche Seite hat auch sofort dramatisch reagiert. Daran sieht man, wie schnell durch einen unangemessenen Umgang mit einem Thema und eine übertriebene Reaktion darauf eine neue Debatte entfacht werden kann.

Der Amtsantritt der polnischen Regierung wurde in Deutschland mit Sorge gesehen.

Im Wahlkampf gab es schon deutliche Worte. Damals waren in Polen viele Menschen durch Erika Steinbachs Pläne für ein Zentrum gegen Vertreibungen verunsichert, auch durch Forderungen der Preußischen Treuhand an Polen. Die Parteien haben diese Verunsicherung leider genutzt, um Stimmen zu holen. Das erinnert ein wenig an die Wahlkampfäußerungen von Bundeskanzler Schröder über die USA. Das ist nicht schön, aber es kommt vor. Nach der Wahl aber waren die ersten Äußerungen des Präsidenten und des Ministerpräsidenten sehr deutlich. Sie haben gesagt: Deutschland ist und wird unser wichtigster Partner sein.

Hat sich die Haltung von Präsident Kaczynski gewandelt?

Bei uns sind erstmals nach der Wende Politiker an die Macht gekommen, die keine in unmittelbaren persönlichen Kontakten gesammelte internationale Erfahrung hatten. Das hat zu Verunsicherung geführt. Sie mussten erst jetzt diese persönlichen Kontakte etablieren und ihre neuen Partner im Ausland kennen lernen. Das ist geschehen. Als der Präsident hier in Deutschland war, sagte er mir, es sei sein bisher bester Auslandsbesuch gewesen. Er kehre zurück nach Polen mit einem anderen Bild von Deutschland und den Deutschen. Ich bin überzeugt, dass sich dieses Bild zum Positiven gewandelt hat.

Gilt das auch für Polens Verhältnis zu Europa?

Ministerpräsident Marcinkiewicz hat kürzlich in Berlin eine Rede zur Europapolitik gehalten, die man so auch aus dem Munde vieler seiner Vorgänger hätte hören können. Und das war kein Trick, das war seine Überzeugung. Wir sind auf Europa, auf die EU angewiesen. Natürlich werden wir uns mit unseren Partnern in Europa auseinander setzen, wie sie es untereinander seit Jahrzehnten getan haben. Jeder hat das Recht, selbstbewusst zu sein. Aber wir tragen gemeinsam Verantwortung für die EU. Hätten wir heute ein Referendum über die Verfassung, würde die Mehrheit der Polen ja sagen.

Die linkspopulistische Selbstverteidigung und die rechtsklerikale Liga polnischer Familien, sind aber mit europafeindlichen Sprüchen aufgefallen.

Das war früher, heute ist das anders.

Aber was hat sich seit dem Regierungseintritt dieser Parteien in der polnischen Außenpolitik geändert?

Nichts. Es ist unmöglich, dass diese Parteien die polnische Außenpolitik verändern. Sie wurden an Bord geholt, um eine Mehrheit zu beschaffen. Als Landwirtschaftsminister Lepper, Chef der Selbstverteidigung, nach Brüssel kam, waren alle überrascht: Da kam ein normaler Politiker, und er sprach in derselben Sprache wie alle anderen.

Am 14. Juni spielt Polen gegen Deutschland. Wer wird gewinnen?

Ich hoffe auf ein Remis. Das ist keine diplomatische Antwort, das hoffe ich wirklich.

Das Interview führte Claudia von Salzen

Andrzej Byrt (57) ist seit dem 1. Oktober 2003 polnischer Botschafter in Berlin. Nach zweieinhalb Jahren wird er diesen Posten im Juli verlassen. Zuvor war er Berater des Präsidenten.

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