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Politik: „Wir tragen weiter Verantwortung“

UN-Verwalter Rücker sieht seine Mission als Erfolg

Neun Jahre stand das Kosovo unter UN-Verwaltung. Was wurde erreicht?

Es ist uns gelungen, die Grundlagen für eine funktionierende Demokratie, einen funktionierenden Rechtsstaat und eine funktionierende Marktwirtschaft zu schaffen. Das ist ein großer Erfolg.

Es gibt Stimmen, wonach die organisierte Kriminalität nun einen eigenen Staat hat.

Wir sollten uns vor Pauschalurteilen hüten. Es wird hier eine ganze Menge getan, um organisierte Kriminalität zu bekämpfen. Sonderermittler der UN und lokale Ermittler arbeiten gut zusammen. Erst kürzlich konnte wieder ein kriminelles Netzwerk zerschlagen und 15 Kilogramm Heroin konnten sichergestellt werden.

Es gibt aber Hinweise, dass auch Politiker verwickelt sind.

Ich kann nur jeden, der solche Behauptungen aufstellt, bitten, eng mit unserer Polizei und Staatsanwaltschaft zusammenzuarbeiten und dort nach Möglichkeit entsprechende Beweise vorzulegen. Die werden sehr gern Ermittlungen einleiten.

Menschrechtsorganisationen klagen, dass nicht genug getan wird, um Zeugen zu schützen. Das betrifft auch Kriegsverbrechen.

Ich kann hier streng genommen nur für den Zeitraum sprechen, in dem ich die Verantwortung trage. In dieser Zeit haben wir den Zeugenschutz intensiv ausgebaut. So haben wir beispielsweise technische Hilfsmittel geschaffen, um Aussagen akustisch zu verfremden. Ferner haben wir alle Bitten, die vom Kriegsverbrechertribunal in Den Haag an uns herangetragen wurden, stets genauestens umgesetzt.

Ein weiteres Problem ist der Einfluss Belgrads auf den von Serben bewohnten Norden. Dort entstehen parallele Verwaltungsstrukturen. Werden Sie das hinnehmen?

Belgrad fordert uns derzeit in vielfacher Weise heraus. Dahinter steht eine Agenda, die auf eine ethnische Teilung des Kosovo abzielt. Das können wir nicht dulden. Es darf keine parallelen Sicherheits- und Verwaltungsstrukturen geben. Anders ist es im Bereich Bildung und Gesundheitswesen. Diese Strukturen haben sich über Jahre entwickelt. Das halte ich für legalisierbar.

Ist Ihr Job nun eigentlich erledigt?

Der UN-Sicherheitsrat ist gespalten. Nicht alle Mitglieder erkennen das Kosovo an. Einige sehen die Unabhängigkeitserklärung als Verletzung der Resolution 1244 an, andere nicht. Deshalb wurde unser Mandat, die Resolution 1244, nicht aufgehoben. Die UN werden daher auf der Grundlage dieser Resolution weiterarbeiten.

Was bedeutet dies konkret?

Es bedeutet, dass die UN für das Kosovo auch in Zukunft eine Verantwortung haben, auch wenn wir uns so pragmatisch wie möglich an sich verändernde Umstände anpassen müssen. Und derzeit werden auch noch Gesetze von mir unterschrieben. Auch die Budgetverantwortung liegt letztlich noch bei uns.

Ab dem 15. Juni will die EU die Unabhängigkeit weiter überwachen. Wie geht das zusammen?

Die Kernfrage ist, wer künftig den Aufbau von Polizei und Justiz begleitet, der bislang in der Hand der UN lag. Hier bereitet die EU eine eigene Mission vor, die sogenannte Eulex-Mission. Wir wollen grundsätzlich keine Doppelstrukturen schaffen, das wäre auch nicht fair gegenüber den internationalen Steuerzahlern. Diese Frage wird derzeit auf höchster Ebene diskutiert. Ich bin optimistisch, dass eine Lösung gefunden werden kann.

Die EU hat mit Pieter Feith auch einen eigenen politischen Repräsentanten installiert. Soll der nun seine Koffer packen?

Es hat sich eine internationale Lenkungsgruppe gebildet, die Feith unterstützt, das Kosovo zu unterstützen. Das hat keine unmittelbare Auswirkung auf die Frage, wie sich unsere Mission zu der hereinkommenden Eulex-Mission verhält.

Das Gespräch führte Ulrike Scheffer.



Joachim Rücker
(56) leitet seit September 2006 die UN-Mission im Kosovo. Davor war er unter anderem als SPD-Politiker Bürgermeister in der Stadt Sindelfingen.

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