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Politik: WIR UND DER KRIEG

Jeden Tag berichten wir über den Krieg.Doch nicht jeden Tag wissen wir, ob das, was wir berichten, auch der Wahrheit entspricht.

Von Robert Birnbaum

Jeden Tag berichten wir über den Krieg.Doch nicht jeden Tag wissen wir, ob das, was wir berichten, auch der Wahrheit entspricht.In Belgrad herrscht Zensur, und von der NATO fühlt sich selbst der deutsche Verteidigungsminister nicht immer ausreichend informiert.In der Redaktion des Tagesspiegels gibt es fast täglich heftige Diskussionen darüber, welcher Text und welches Bild noch zu verantworten ist.Diese Rubrik gibt Einblicke in Widersprüche und Zweifel von Journalisten in den Zeiten des Krieges.

Ich habe einen Leserbrief bekommen.Das freut uns Journalisten, weil wir dann wissen, daß wir gelesen werden.Manchmal ärgert es uns auch, weil uns jemand beschimpft, was wir denn da für einen hirnverbrannten Kommentar verfaßt und wieso wir schon wieder vergessen haben, daß vor dem "und" ein Komma stehen muß, wenn ein kompletter Satz folgt.Dieser Leserbrief macht mich ratlos.Denn der Schreiber lobt mich für eine Meinung, die ich gar nicht habe.Er hat mich - nicht absichtlich, sondern offenkundig ganz arglos - mißverstanden, hat in der Fülle von Argumenten für und wider den Krieg nur die wahrgenommen, die seinem eigenen Herzen und Verstand nahe stehen.So etwas kommt vor.Wenn es, sagen wir, um die Mineralölsteuer ginge, würde ich mich kurz fragen, ob ich wirklich so nebulöses Zeug geschrieben habe, daß man mich derart falsch verstehen kann, und dann mit bedauernden Schulterzucken zum Tagesgeschäft übergehen.Es geht aber um Krieg und Frieden.Da will ich nicht mißverstanden werden - nicht als Kriegstreiber, nicht als Friedensapostel.Ich versuche zu vermeiden, so zu tun, als wüßte ich Gut und Böse, Richtig und Falsch sauber zu trennen, als gebe es nur A oder B.Ich versuche noch mehr als sonst, meinen Lesern zu erklären, warum ich die Meinung A nach Abwägung aller Gründe für ein bißchen richtiger halte als die Meinungen AB, BA, B oder C.Und dann so ein Brief."Deine Rede sei Ja, Ja - Nein, Nein" - ich weiß.Aber vielleicht doch lieber Mißverständnisse in Kauf nehmen als den Vorwurf der fahrlässigen Allzu-Vereinfachung?

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