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Politik: „Wir verhandeln nicht unter Terror“

Botschafter Stein über den neuen palästinensischen Premier und Israels Zugeständnisse

Israel begeht heute den 55. Unabhängigkeitstag. War das Land jemals weniger bedroht von außen als jetzt nach dem IrakKrieg?

Der Krieg hat eine strategische Entlastung gebracht, aber von Sicherheit in Frieden sind wir noch entfernt.

Die USA haben Israel ein Problem vom Hals geschafft, Saddam Hussein. Zu welchen Zugeständnissen ist nun Israel bereit, wenn die USA einen Nahostfrieden vermitteln?

So stellt sich die Frage nicht. Wir haben unsere Bereitschaft zu schmerzhaften Kompromissen immer wieder gezeigt. Ehud Barak in Camp David. Dann haben wir die Pläne von Mitchell, Tenet und Zinni akzeptiert. Und Ariel Scharon ist bereit, Präsident Bushs Nahost-Vision umzusetzen. Erste Priorität hat jetzt der Kampf gegen Terrorismus, für Amerika wie für uns. Nach dem Scheitern von Camp David werden sie in Israel keine Bereitschaft mehr finden, zu verhandeln, während man gleichzeitig dem Terror ausgesetzt ist.

Der neue palästinensische Premierminister Mahmud Abbas hält den Terror für falsch. Muss Israel ihn nicht unterstützen, auch weil es keinen besseren Partner finden wird?

Wir begrüßen die Wahl von Mahmud Abbas. Er strebt keine militärische Lösung des Konflikts an. Aber Arafat hat sich nicht, wie versprochen, von der Macht verabschiedet. Er versucht Abbas zu umgehen, hat gerade einen Nationalen Sicherheitsrat gegründet, um die Macht über die Sicherheitsapparate zu behalten. Abbas muss jetzt zeigen, dass er wirklich entschlossen ist, die Terrororganisationen zu bekämpfen.

In der „road map“ steht auch, was Israel tun muss. Zum Beispiel den Siedlungsbau stoppen.

Dort steht, dass eine Zweistaatenlösung erst möglich ist, wenn die palästinensische Führung gegen Terroristen vorgeht. Es ist von einem bedingungslosen Ende der Gewalt die Rede – als Vorleistung der Palästinenser. Erst danach wären wir verpflichtet, uns aus palästinensischen Städten zurückzuziehen, die Lebensbedingungen der Palästinenser zu erleichtern und den Siedlungsbau einzufrieren.

Wie lässt sich diese Bereitschaft messen?

Auch wenn wir es uns wünschen, verstehen wir, dass er den 100-prozentigen Erfolg nicht erzielen kann. Aber wir wollen eine 100-prozentige Anstrengung sehen. Eine Kampfansage an die Terror-Organisationen. Wir sind nicht so naiv zu glauben, Mahmud Abbas könnte alle Anschläge verhindern.

Es beeinträchtigt Israels Sicherheit nicht, den Siedlungsbau zu stoppen und illegale Siedlungen aufzugeben. Oder die Häuser von Palästinensern zu zerstören. Das provoziert die Palästinenser und reizt sie ständig. Warum hört Israel nicht damit auf?

Bitte sprechen Sie nicht von Provokation. Sie können einzelne Maßnahmen gerne kritisieren. Illegale Vorposten wollen wir abbauen. Diese Entscheidung hat die Regierung getroffen. Die Zerstörung der Häuser ist eine andere Frage: Wie bekämpft man Terrorismus? Wir haben kein Patentrezept. Wir suchen nach einer glaubwürdigen Abschreckung.

In der „road map“ ist von zwei Staaten die Rede, von einer gerechten Lösung der Flüchtlingsfrage und von Jerusalem als Hauptstadt beider Staaten. Was heißt das für Israel?

Für uns heißt das vor allem, Abschied zu nehmen von Träumen von Großisrael und territoriale Kompromisse zu machen. Im Oslo-Prozess hat Israel einen palästinensischen Staat akzeptiert, das ist ein großes Verdienst. Die Gesellschaft hat Träume und Ideologien aufgegeben. Siedlungen preiszugeben, ist für die Mehrheit ein schmerzhafter Kompromiss.

Und Jerusalem?

Das gehört zu den Fragen, die wir am Ende klären. Dann werden wir mit den vertrauensbildenden Maßnahmen hoffentlich so weit sein. Es ist nicht nur ein politisches, sondern auch ein religiöses und emotionales Thema.

Und die Flüchtlinge?

Wir müssen eine klare Aussage der Palästinenser bekommen, dass sie die Legitimität des jüdischen Staates akzeptieren. Ein jüdischer Staat ist nicht mit dem Rückkehrrecht der Palästinenser nach Israel zu vereinbaren. Das ist für uns eine rote Linie. Mit einer Friedenslösung müssen die Palästinenser auf alle Ansprüche verzichten.

Das Interview führten Martin Gehlen, Christoph von Marschall und Clemens Wergin.

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