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Politik: "Wir wollen Söhne, keine Särge"

WIEN .Im Reich von Slobodan Milosevic regt sich sachter Widerstand gegen den Konfrontationskurs des Regimes.

WIEN .Im Reich von Slobodan Milosevic regt sich sachter Widerstand gegen den Konfrontationskurs des Regimes.In Krusevac und Aleksandrovac, zwei Städten südlich von Belgrad, ist es in den vergangenen Tagen zu tumultartigen Kundgebungen gekommen.In Aleksandrovac war angeblich die bevorstehende Abreise von Reservisten und Rekruten der zündende Funke.Diese sollten nach einem Kurzurlaub zu Hause wieder "an die Front" im Kosovo zurückkehren.Eltern und Angehörige versammelten sich vor der Abfahrt der Soldaten am Busbahnhof der Stadt.Sie forderten vom Bürgermeister, die Abfahrt zu verhindern und die Rückkehr aller Reservisten zu veranlassen.Zivota Cvetkovic, Bürgermeister und Statthalter der Milosevic-Sozialisten, habe versucht, die Menge zu beschwichtigen.Einer der Leibwächter des Bürgermeisters sei darauf von der wütenden Menge verprügelt worden.

In Krusevac demonstrierten mehr als 3000 Eltern, Angehörige und Bewohner der Stadt bereits am Montag ein erstes Mal vor dem Rathaus.Eltern trugen Fotos ihrer getöteten Söhne mit."Wir wollen Söhne, keine Särge", so einer der Slogans.Angeblich waren erst am vergangenen Freitag die Leichen von sieben beziehungsweise drei Soldaten nach Krusevac sowie Aleksandrovac gebracht worden.Auch Miloje Mihajlovic, Bürgermeister von Krusevac und Statthalter der Milosevic-Sozialisten, hatte am Montag versucht, die Menschenmenge vor dem Rathaus zu beruhigen.Die Gemeindebehörden seien für Militärfragen nicht zuständig und könnten die Rückkehr der Väter und Söhne nicht veranlassen.Die Rede stieß angeblich auf Unmut.Die Menschenmenge habe den Bürgermeister beschimpft und mit Steinen beworfen, hieß es.

Am Dienstag schlugen Demonstranten die Fensterscheiben der lokalen Radio- und Fernsehstation ein.Sie zeigten sich empört über die Berichterstattung von der Kundgebung vom Vortag: "Krusevac Radio-TV lügt", hatte einer auf ein Plakat geschrieben."Tote brauchen keinen Kosovo", lautete am Dienstag ein anderer Slogan.Das Regime in Belgrad veröffentlich regelmäßig Angaben über angebliche zivile Opfer der Nato-Luftangriffe.Was die Opfer unter Soldaten und Polizisten betrifft, gibt man sich jedoch sehr zugeknöpft.Vor wenigen Tagen hatte Jugoslawiens Präsident Milosevic in vagen Worten erstmals überhaupt zugestanden, daß seine Armee Verluste habe hinnehmen müssen.Bisher hatte sich der "oberste Befehlshaber" darauf beschränkt, den "erfolgreichen Verteidigungskampf" zu rühmen und Orden an Soldaten zu verleihen.Die Armee hat offenbar vor allem im Süd- und Mittelserbien in größerem Umfang mobilisiert, während etwa Belgrad eher ausgespart wurde.Generell dürfen aber Männer im Alter zwischen 18 und 60 Jahren das Land nicht verlassen.

Eltern und Verwandte sind oft während Wochen über den Aufenthaltsort ihrer Söhne und Angehörigen im Ungwissen.Aus den Nachrichten am staatlichen Fernsehen werden sie auch nicht schlauer, im Gegenteil.Immer wieder zirkulieren Gerüchte, wonach Desertion inzwischen ein verbreitetes Phänomen sei.Auch um Versorgung und Ausrüstung der Soldaten ist es angeblich äußerst schlecht bestellt.Die Gerüchte lassen sich jedoch nicht überprüfen.Es ist das erste Mal seit Beginn der Luftangriffe am 24.März, daß sich Widerstand regt.Auch in Cacak, einer von der Opposition regierten Stadt, werden angeblich jede Woche Antikriegs-Demonstrationen abgehalten.Der dortige Bürgermeister Velimir Ilic hatte als erster Behördenvertreter der Armeeführung vorgeworfen, bewußt das Leben von Zivilisten zu gefährden.

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