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Wortreich, aber nicht erschöpfend. Der damalige Ministerpräsident Christian Wulff gab im niedersächsischen Landtag Auskunft. Doch die Grünen werfen ihm vor, über ein Privatdarlehen nicht aufgeklärt zu haben.

© dapd

Wirbel um Präsidenten-Kredit: Die Grünen fühlen sich von Wulff getäuscht

Die niedersächsische Fraktion der Grünen hatte 2010 nach Wulffs Beziehungen zum Unternehmerpaar Geerkens gefragt - und drängt nun auf Aufklärung über dessen Darlehen für Wulff.

Ein 500.000-Euro-Kredit aus seiner Zeit als niedersächsischer Ministerpräsident weckt Zweifel an der politischen Glaubwürdigkeit von Bundespräsident Christian Wulff. Die Grünen im niedersächsischen Landtag warfen Wulff vor, die Abgeordneten getäuscht zu haben. Es geht um einen Privatkredit, den das Ehepaar Wulff von dem befreundeten Osnabrücker Unternehmerpaar Geerkens bekam. Mit dem Geld bezahlten die Wulffs nach Angaben des Bundespräsidialamts 2008 ihr Einfamilienhaus in Burgwedel (mehr Hintergründe hier).

Bei dem Fall geht es nicht so sehr um den Kredit an sich, sondern um die Begleitumstände. Das Darlehen stand im Februar 2010 im Mittelpunkt einer Anfrage der Grünen im niedersächsischen Landtag. Die Partei wollte von dem CDU- Politiker Wulff wissen, ob geschäftliche Beziehungen zu dem Unternehmer Egon Geerkens oder seinem Firmenumfeld bestünden. Wulff entgegnete, solche Beziehungen hätten nicht bestanden und bestünden nicht, wie das Bundespräsidialamt am Dienstag noch einmal betonte. Aber: „Es bestand eine Vereinbarung mit Frau Edith Geerkens zu einem Darlehen aus ihrem Privatvermögen.“ Der Hauskauf wurde zu einem Zinssatz von vier Prozent finanziert, sagte Wulffs Sprecher Olaf Glaeseker. Die Zinsen seien fristgerecht gezahlt worden. Im Frühjahr 2010, also kurz nach der Befragung im Landtag, sei das Privatdarlehen durch eine Bankfinanzierung mit niedrigerem Zinssatz abgelöst worden – obwohl der Darlehensvertrag noch bis November 2013 lief.

Der Fraktionsvorsitzende der Grünen im niedersächsischen Landtag, Stefan Wenzel, fühlt sich von Christian Wulff getäuscht. „Das Ehepaar Wulff hatte den Weihnachtsurlaub bei Herrn Geerkens in Florida verbracht, Air Berlin die Flüge der beiden kostenlos auf Business-Class hochgestuft. Wir wollten mit der parlamentarischen Anfrage 2010 klären, ob es eine geschäftliche Beziehung von Herrn Wulff gab. Die damalige Antwort des Ministerpräsidenten war pure Haarspalterei. Der Landtag wurde nicht umfassend informiert. Ich fühle mich getäuscht“, sagte Wenzel den „Ruhr Nachrichten“.

Wenzel forderte, dass der niedersächsische Landtag den Vorgang von damals aufklären müsse. „Welche Konsequenzen das Verhalten von Herrn Wulff für seine heutige Position als Bundespräsident hat, muss er zunächst selbst beurteilen“, sagte Wenzel. Auch die Grünen im Bund erwarten von Wulff die rasche und umfassende Aufklärung der Vorwürfe. „Ich hoffe sehr, dass der Bundespräsident die jetzt aufgekommenen Fragen schnell und umfassend beantworten wird“, sagte die Bundesgeschäftsführerin der Grünen, Steffi Lemke, der Zeitung „Die Welt“.

Lesen Sie auf Seite 2, wie FDP und Linke auf die Vorwürfe gegen den Bundespräsidenten reagieren.

Bundeswirtschaftsminister und FDP-Chef Philipp Rösler stärkt Bundespräsident Wulff in der Diskussion über das Privatdarlehen des Osnabrücker Unternehmerpaars in seiner Zeit als Ministerpräsident den Rücken. „Der Bundespräsident hat erklärt, er habe sich damals korrekt verhalten. Ich habe überhaupt keinen Anlass, an dieser Aussage zu zweifeln“, sagte Rösler, der als FDP-Fraktionschef und niedersächsischer Wirtschaftsminister eng mit Wulff zusammenarbeitete, der „Passauer Neuen Presse“: „Wer ein Eigenheim kauft oder baut, nimmt zumeist einen privaten Kredit über die Hausbank auf. Das ist bei meiner Familie nicht anders.“

Entscheidend ist die Antwort auf die Frage, ob Wulff durch das Weglassen einer Information das Parlament belogen und damit gegen Artikel 25 der niedersächsischen Verfassung – die Unterrichtungspflicht der Regierung – verstoßen hat. So weit geht allerdings auch die Opposition im Landtag nicht. „Juristisch sauber, aber moralisch zweifelhaft“ sei das Verhalten des heutigen Staatsoberhauptes, sagte Linken-Fraktionschef Hans- Henning Adler. Die Grünen sehen den Verdacht einer Täuschung, die kein gutes Licht auf den heutigen Bundespräsidenten werfe. „Die wirklichen Abhängigkeiten sind im Nebel geblieben“, sagte Fraktionschef Stefan Wenzel. Er erinnerte daran, dass Wulff seinerzeit im Landtag wegen einer kostenlosen Aufwertung eines Air-Berlin-Fluges Antworten geben musste. Dieser Urlaubsflug brachte die Familie Wulff nach Florida, wo sie kostenlos in einem Haus von Geerkens wohnen konnte. Dies sei unter Freunden üblich, erklärte die Staatskanzlei damals.

Laut „stern.de“ nahm Wulff Geerkens, der seinen Wohnsitz inzwischen in der Schweiz hat, als Teil der Wirtschaftsdelegation in drei Fällen zu Auslandsreisen mit. Weder bei seinen Vorgängern im Amt des Ministerpräsidenten noch bei seinem Nachfolger David McAllister habe Geerkens zu derartigen Delegationen gehört. Geerkens’ Ehefrau bestätigte, dass ihr Mann seit der Aufgabe eines Juweliergeschäfts in Osnabrück 2007 keine geschäftlichen Aktivitäten in Niedersachsen mehr unterhalte. Geerkens stellte das Darlehen am Dienstag als Freundschaftsdienst ohne Gegenleistung dar. Gegenüber „Spiegel Online“ verwies er auf die damals vollzogene Scheidung Wulffs: „Christian musste sein Leben neu ordnen, und jeder weiß, dass Scheidungen teuer sind.“ Auch wegen seiner Beziehungen zum Unternehmer Carsten Maschmeyer war Wulff in die Kritik geraten. (mit AFP/dapd)

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