JA
Keine Wirtschaftsordnung funktioniert besser als der Kapitalismus, meint Ursula Weidenfeld. Ohne ihn wäre die Welt ärmer, ungleicher und ungerechter. Das heißt nicht, dass das System völlig ohne Fehler ist.
1. Pro von Ursula Weidenfeld
Zugegeben, es ist nicht leicht, in diesen Tagen den Kapitalismus zu verteidigen. Schon gar nicht dann, wenn man gleichzeitig auch den Neoliberalismus verteidigen will. Kapitalismus und Neoliberalismus gelten vielen als Schlüsselbegriffe des derzeitigen ökonomischen Desasters. Menschen campieren vor der Wall Street und der Zentrale der Europäischen Zentralbank, um den Kapitalismus abzuschaffen. Sie protestieren gegen den Neoliberalismus, als sei der an allem schuld.
Die Wut kann man nachvollziehen, manchmal sogar teilen. Es ist kaum zu ertragen, dass ein Grundprinzip der sozialen Marktwirtschaft in der Krise in sein Gegenteil verkehrt wird. Jetzt müssen die Schwachen für die Starken aufkommen. Andersherum wäre es richtig.
Doch: Bisher hat keine Wirtschaftsordnung gezeigt, dass sie besser funktioniert als die Marktwirtschaft. Nur ein System, das auf Eigentum und der Freiheit beruht, nach Gewinn streben zu dürfen, wird den Bedürfnissen der Menschen nach Wohlstand und Fortschritt gerecht. Nicht nur der Zusammenbruch der kommunistischen und sozialistischen Systeme am Ende des 20. Jahrhunderts ist ein Beweis dafür. In vielen Teilen der Welt wird der Kapitalismus als Weg großer Teile der Bevölkerung aus Armut und Elend gesehen und gefördert. Weltweit ist der Kapitalismus auf dem Vormarsch. Er hat nicht nur im vergangenen Jahrhundert dafür gesorgt, dass der Wohlstand wuchs. Er tut es auch in diesem Jahrhundert. Ohne den Kapitalismus, ohne wirtschaftliche Freiheit und Freihandel, ohne das Kreditwesen, wäre die Welt heute ärmer, ungleicher, ungerechter. Schon deshalb sollten alle ein Interesse daran haben, den Kapitalismus zu retten.

In den klassischen Ländern des Kapitalismus wächst dennoch die Kritik. Teilweise zu Recht. Es war ein Fehler, die Finanzmärkte sich selbst zu überlassen. Marktwirtschaften funktionieren nur dann dauerhaft gut, wenn sie einen klaren Ordnungsrahmen haben. Das war die Überzeugung der neoliberalen Ökonomen, die der sozialen Marktwirtschaft in Deutschland ihr Fundament gaben. Das hat in Deutschland lange funktioniert. Die Ökonomen und Notenbanker der achtziger und neunziger Jahre des vergangenen Jahrhunderts glaubten jedoch fest an die unbedingte Vernunft der Marktteilnehmer. Wer etwas kaufe oder verkaufe, verhalte sich stets rational, nahm man an (und die Autorin dieses Artikels stellt hier ausdrücklich fest, dass auch sie der Meinung war, Deregulierung sei in aller Regel eine gute Sache). Deshalb habe der Markt am Ende immer recht.
Das war falsch. Lesen Sie auf Seite 2, wo der Fehler im System liegt.
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