zum Hauptinhalt
Der ukrainische Präsident Petro Poroschenko verleiht Medaillen an seine Soldaten. Wirtschaftlich geht es in der Ukraine aber nicht vorwärts.

© Reuters

Wirtschaftskrise: Ukraine kommt bei Reformen nicht voran

Kiew verspricht erneut, Reformen endlich voranzubringen, doch die Lage in der Ukraine bleibt katastrophal. Die Hoffnung ist ein Schuldenschnitt.

Die ukrainische Regierung braucht dringend Erfolge, auch deshalb hat sich Finanzministerin Natalia Jaresko auf den Weg nach San Francisco gemacht. Dort will sie ab diesem Donnerstag einen Deal im Schuldenstreit Kiews mit privaten Gläubigern erreichen. Obwohl der Internationale Währungsfonds (IWF) seine Prognosen für die Ukraine verbessert hat, bleibt die Landeswährung instabil und die Inflationsrate nähert sich 50 Prozent.

„In den vergangenen 20 Jahren waren die Beziehungen zwischen der Ukraine und dem IWF noch nie so gut wie derzeit“, schreibt Ministerin Jaresko in der Zeitung „Ukrainska Prawda“. Die in Chicago geborene Investmentbankerin mit ukrainischen Wurzeln hat in der Tat einen guten Draht zum IWF. Allerdings verhandelt die Ukraine derzeit mit 14 Investmentfonds. San Francisco ist der Hauptsitz von „Franklin Templeton“, Kiew schuldet dem Fonds sieben Milliarden US-Dollar. Insgesamt geht es akut um 19 Milliarden Dollar, die in den nächsten Monaten zurückgezahlt werden sollten. Doch die Ukraine kann das Geld nicht aufbringen. Deshalb wirbt Jaresko in den USA erneut für ihren schon bekannten Plan: Kiew will einen Schuldenschnitt von 40 Prozent. Die Gläubiger sind allerdings höchstens bereit, auf fünf Prozent zu verzichten.

Der Ukraine könnte nach Schätzungen der Tageszeitung „Segodna“ Anfang Oktober die Zahlungsunfähigkeit drohen. Ende September müssen 500 Millionen Euro zurückgezahlt werden, doch wie es aussieht, hat die Ukraine auch diese Mittel derzeit nicht. Die Wirtschaft befindet sich seit fast zehn Jahren auf Abwärtskurs. Nach der weltweiten Krise 2007/08 hat es Kiew nicht geschafft, seine Wirtschaft neu zu strukturieren. Damals flossen ebenfalls Milliarden Dollar des IWF an das klamme Land, doch die Gelder versickerten.

Nun wollen Regierungschef Arsenij Jazenjuk und Finanzministerin Jaresko mit einem seit Monaten angekündigten Reformprogramm alles besser machen. „Wir werden die Fehler, die 2000 und 2008 von unseren Vorgängern gemacht wurden, nicht wiederholen, sondern alle Programme des IWF Punkt für Punkt umsetzen“, beteuert Jaresko in dem Artikel für die „Ukrainska Prawda“. Für Kritiker klingt das wie Pfeifen im Wald. Seit sieben Monaten verhandelt die Regierung über einen Deal. Die Verhandlungen werden von Teilnehmern als „nicht zimperlich“ beschrieben. „Es scheint, dass beide Seiten auf ihren Positionen beharren – die Ukraine ist jetzt leicht im Vorteil, weil der IWF hinter dem Land steht“, zitiert „Segodna“ einen Mitarbeiter aus dem Umfeld von Jaresko.

Jazenjuk steht vor einer Niederlage

Ende Oktober werden in der Ukraine Kommunalwahlen abgehalten, Ministerpräsident Jazenjuk droht eine krachende Niederlage. Er und seine „Narodni Front“ liegen in Umfragen bei vier Prozent. Das Wochenmagazin „Nowoje Wremja“ schreibt, Jazenjuk bereite eine Kabinettsumbildung vor und suche nach einem neuen Koalitionspartner, um seinen Rauswurf zu verhindern. Ob das gelingt, ist fraglich. Das Kabinett ist zu 50 Prozent mit Leuten aus dem Umfeld von Präsident Poroschenko besetzt, und auch die Minister der „Narodni Front“, wie der eigenwillige Innenminister Arsen Awakow, werden sich von Jazenjuk kaum aus der Regierung drängen lassen. Während Jazenjuk seit Monaten daran arbeitet, Energieminister Wladimir Demtschischin und Wirtschaftsminister Aiwaras Abromavicius loszuwerden, gewinnen populistische und extremistische Kräfte immer mehr an Zulauf.

Die „Nowoje Wremja“ widmet der früheren Ministerpräsidentin Julia Timoschenko fünf Seiten – ein Beitrag, der mit der Überschrift „Sie ist zurück“ nicht nur auf Jazenjuk wie eine Drohung wirken dürfte. Dabei gelten die Journalisten der Wochenzeitschrift als größtenteils regierungstreu, viele haben die Maidanproteste unterstützt. Der Politologe Vadim Karasew sagte dem Magazin, das Comeback Timoschenkos sei der „verkorksten Regierungsarbeit Jazenjuks“ geschuldet: „Reformen wurden vollmundig versprochen, doch auf eine Umsetzung warten die Menschen bis heute.“ Während ein Teil der Bevölkerung bereit wäre, harte Einschnitte für einen absehbaren Zeitraum hinzunehmen, lehnt die Mehrheit – vor allem unter den Alten und den ärmeren Schichten des Landes – die Reformen ab. „Für viele Menschen ist das Wort Reform gleichbedeutend mit Preissteigerungen“, sagt Politikberater Sergej Gaidai. „Die Armen waren in der Ukraine schon immer empfänglich für Populismus“, so das harte Urteil der „Nowoje Wremja“.

Wären in der kommenden Woche Wahlen, würden 23,9 Prozent für die Partei von Präsident Poroschenko stimmen, Julia Timoschenkos „Vaterlandspartei“ käme auf 22,7 Prozent der Stimmen. Aufgeholt hat der Bürgermeister von Lemberg, Andrej Sadowij – er würde 12,2 Prozent erreichen, gefolgt von der populistischen „Radikalen Partei“ und ihrem Chef Oleg Ljaschko (10,2 Prozent) sowie der früheren Regierungspartei, dem heutigen „Oppositionellen Block“, dem 10 Prozent zugetraut werden. Auffallend, dass die „Udar“-Partei des Bürgermeisters von Kiew, Vitali Klitschko, in den neuen Umfragen nicht mehr auftaucht. In der vergangenen Woche wurde bekannt, dass „Udar“ und „Solidarität“, die Partei von Präsident Viktor Poroschenko, mit einer gemeinsamen Liste antreten wollen.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false