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Politik: Wirtschaftspolitik: Sonnen-Blocker

Warnung gab es vorher keine. Doch kaum war die Weltklimakonferenz in Bonn zu Ende, halbierte das Wirtschaftsministerium die Fördersätze für das Marktanreizprogramm erneuerbare Energien.

Warnung gab es vorher keine. Doch kaum war die Weltklimakonferenz in Bonn zu Ende, halbierte das Wirtschaftsministerium die Fördersätze für das Marktanreizprogramm erneuerbare Energien. Seit dem 26. Juli gelten die neuen Fördersätze. Im Übrigen will das Ministerium die Gesamtfördersumme für das Marktanreizprogramm von 300 Millionen Mark in diesem Jahr auf 200 Millionen Mark für 2002 zurückfahren. In der kommenden Woche beginnen die Haushaltsberatungen im Bundestag. Dann wird über diese plötzliche Kürzung noch einmal heftig gestritten.

Was auf den ersten Blick wie politische Instinktlosigkeit aussieht, erwies sich auf den zweiten Blick als kluger Schachzug. Zwar schreckten Solarszene und Bauernverband sofort auf und setzten ihre Protestmaschinerie in Gang. Nur bemerkt hat das fast niemand. Der Grund: die Sommerpause. Dieser ist es auch zu verdanken, dass der fällige Koalitionskrach zwischen SPD und Grünen auf die Haushaltsberatungen verschoben wurde. Das hat Michaele Hustedt, energiepolitische Sprecherin der Grünen, schon im Juli angekündigt. Ihre Partei verlangt nicht nur, dass die Kürzung für das Marktanreizprogramm zurückgenommen wird, sondern sogar, dass es auf 400 Millionen Mark erhöht wird.

Die Legitimation für ihre Forderung beziehen die Grünen aus einem "politischen Versprechen", wie es Andree Böhling, Klimareferent der grünen Bundestagsfraktion, nennt. Denn weil es nicht gelang, die erneuerbaren Energien von der Ökosteuer zu befreien, sollten die Einnahmen an die Branche zurückgegeben werden - als Investitionsförderung mit dem Marktanreizprogramm. Für das kommende Jahr würden "mindestens 500 Millionen Mark Ökosteuereinnahmen aus regenerativen Energien erwartet".

Sabine Maass, Sprecherin des Wirtschaftsministeriums, verweist auf die Sparzwänge im Bundeshaushalt. Den erneuerbaren Energien werde so weit wie möglich Vorrang eingeräumt. Doch im "Sinne der Förderkontinuität" sei es notwendig gewesen, die Zuschüsse zu kürzen, sonst wären die Mittel bald aufgebraucht gewesen.

Dem widerspricht die Branche nicht grundsätzlich. Vor allem die Solarwärme-Nutzung hat durch das Marktanreizprogramm einen starken Aufschwung genommen. Allein im vergangenen Jahr sind 75 000 Anlagen mit einer Kollektorfläche von 600 000 Quadratmetern installiert worden, das ist ein Wachstum von 50 Prozent. Carsten Körnig von der Unternehmensvereinigung Solarwirtschaft (UVS) in Berlin hat nun eine starke Verunsicherung der Investoren wahrgenommen. "Der Markt ist noch instabil", stellt auch Andree Böhling fest. Das sieht auch Thomas Forstreuter, Energiereferent des Deutschen Bauernverbands (DBV), so. Viele Landwirte, die Biogas-Anlagen geplant hatten, seien von einem Investitionszuschuss von rund 30 Prozent ausgegangen. Wenn dieser wegfalle, seien die Anlagen nicht mehr wirtschaftlich zu betreiben. 25 Millionen Mark aus dem Marktanreizprogramm sind seit 1999 in den Bau von Biogasanlagen geflossen, allein 2001 sind 600 neue Anlagen dazugekommen.

Beobachter halten den Schachzug aus dem Wirtschaftsministerium für schlichte Bilanzkosmetik, ein in harten Haushaltsberatungen gern eingesetztes Mittel. Ein Ministerium beweist den guten Willen zum Sparen, indem es in einem Bereich kürzt, bei dem garantiert massive Proteste abzusehen sind. Und in den Haushaltsberatungen wird der Kürzungsvorschlag wieder kassiert, weil er nicht durchsetzbar war. Manche Minister verstehen diese Methode elegant einzusetzen. Bei Branchen, die knapp vor der Wirtschaftlichkeit stehen, und noch stark auf Förderung angewiesen sind, hat diese Strategie jedoch direkte wirtschaftliche Auswirkungen. Selbst wenn die Kürzungen bis in einem Monat wieder zurückgenommen würden, bedeuten sie real einen starken Einbruch in der Solarbranche, aber auch bei den Herstellern von Biogasanlagen.

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