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WIRTSCHAFTSSANKTIONEN: Traum vom Milliardengeschäft

Hoffen und Bangen: Nicht nur in der Politik, auch in der deutschen Wirtschaft wird dem Verhandlungsausgang zwischen dem Iran und dem Westen entgegengefiebert. Der Grund: Einigen sich die Streitparteien, können Industrie und Handel auf ein Milliardengeschäft hoffen.

Hoffen und Bangen: Nicht nur in der Politik, auch in der deutschen Wirtschaft wird dem Verhandlungsausgang zwischen dem Iran und dem Westen entgegengefiebert. Der Grund: Einigen sich die Streitparteien, können Industrie und Handel auf ein Milliardengeschäft hoffen. „Das Land besitzt eine konsumfreudige Mittelschicht, viele sehr gut ausgebildete Fachleute und jede Menge Bodenschätze“, sagt Jens Nagel, Außenwirtschaftsexperte vom Exportverband BGA. „Der Iran ist seit Jahrzehnten vom Welthandel isoliert. Er hat deshalb einen hohen Nachholbedarf an Investitionen, etwa in die Infrastruktur, in Industrieanlagen und die Ölindustrie“, sagt Nagel.

Der 24. November könnte daher zum Schicksalstag werden – für Unternehmer, ganz besonders aber für den Iran. Denn scheitern die Verhandlungen, wird wieder das Sanktionsregime greifen, das von den USA, der EU und dem UN-Sicherheitsrat seit 2006 schrittweise aufgebaut wurde. Die Verbotsliste ist lang: Gegen iranische Atomwissenschaftler wurden Reiseverbote ausgesprochen; Waffen, Nuklear-Technologie oder Telekommunikationssysteme wurden mit Ein- und Ausfuhrverboten belegt. Darüber hinaus schränkte der Westen den Handel mit Gütern der iranischen Öl- und Gasindustrie stark ein. Gerade dieser Punkt hat dem Land wirtschaftlich zugesetzt – Energieexporte finanzieren beinahe die Hälfte des iranischen Staatsbudgets. Die Strafmaßnahmen zeigten Wirkung. Die Währung des Landes, der Rial, schmierte innerhalb der vergangenen beiden Jahre ab, die Inflationsrate lag zeitweise bei 70 Prozent im Monat, die iranische Wirtschaft schrumpfte allein 2013 um fünf Prozent.

Kein Wunder also, dass sich das Mullah-Regime Ende vergangenen Jahres verhandlungsbereit zeigte. Gegen punktuelle Sanktionserleichterungen gewährte Teheran der internationalen Gemeinschaft Zugang zu den Atomanlagen. EU und UN hoben das Einfuhrverbot für petrochemische Produkte auf, auch Einschränkungen im Zahlungsverkehr wurden gelockert. Das Einfuhrverbot für Rohöl blieb vorerst zwar weiter bestehen, doch dürfen EU-Schiffe mittlerweile wieder iranisches Öl transportieren.

„Diese relativ kleinen Schritte haben einen großen Hebel in Bewegung gesetzt“, sagt BGA-Experte Nagel. Das zeigt sich nicht zuletzt an der jüngsten Handelsbilanz zwischen Deutschland und dem Staat im Nahen Osten: In den ersten acht Monaten dieses Jahres legte das Ausfuhrvolumen kräftig zu. Im Vergleich zum Vorjahreszeitraum stiegen zwischen Januar und August die deutschen Exporte in den Iran um rund 33 Prozent, wie aus Daten des Statistischen Bundesamtes hervorgeht. Noch 2013 waren die Exporte in die Islamische Republik um fast 26 Prozent abgestürzt.

Unter deutschen Unternehmen wächst daher die Hoffnung, dass sich der jüngste Trend fortsetzen könnte. Kommt es zu einer Einigung Ende November, stehen die Chancen gut, glaubt Nagel: „Deutschland ist traditionell der wichtigste Handelspartner des Iran in Europa. Von einer Entspannung könnte die deutsche Wirtschaft besonders profitieren.“

Trotz Sanktionserleichterungen scheint der Iran aber weiterhin an seinem Nuklearprogramm festzuhalten – und sich das Zubehör dafür auch hierzulande illegal zu beschaffen. „Wir beobachten weiterhin strafbare proliferationsrelevante Beschaffungsaktivitäten“, sagte Norbert Drude, Präsident des Zollkriminalamtes, dem Tagesspiegel. Bereits in den vergangenen Jahren hatten die Zollfahnder Dutzende Ermittlungsverfahren wegen Verstößen gegen das Außenhandelsgesetz eingeleitet. Johannes C. Bockenheimer

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