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Politik: „Wo bleibt die Leidenschaft?“

Die Labour-Partei präsentiert ihr Wahlprogramm – ihr Premier ist angeschlagen und nervös

Die britische Labour-Partei, seit acht Jahren an der Regierung, legte am Mittwoch ihr Wahlprogramm für eine dritte Amtszeit vor. Parteichef Tony Blair nannte es „eine große Vision für Großbritannien“ und versprach die „radikale Beschleunigung der Reformen“. Allerdings fragte der Korrespondent der Zeitung „Guardian“: „Wo bleibt die Leidenschaft?“

Labour hatte für die Vorstellung des Wahlprogramms ein Theater angemietet. Allerdings fühlte man sich eher an eine Kirche erinnert, als die Führungspolitiker in steifer Gruppenliturgie Dutzende detaillierter Versprechen über die Verbesserung der öffentlichen Dienste abgaben. Der Spitzenkandidat der Konservativen, Michael Howard, konterte: „Mehr Steuern und mehr Phrasen. Lauter Versprechungen. Wir kennen das. Labour ist ja schon acht Jahre im Amt.“

Der Kollektiv-Auftritt der Labour-Führung vor der Parlamentswahl am 5. Mai war Teil der Strategie, Blairs oft als autokratisch kritisierte Rolle herunterzustufen. Der Premier ist angeschlagen und nervös – angesichts des Wahlausgangs und seiner eigenen Zukunft. Seine Umfragewerte sinken – sogar beim Institut Mori, wo Labour stets den größten Vorsprung hat, lag er in einer neuen Umfrage nur noch vier Prozentpunkte vor den Tories.

So spielt Finanzminister Gordon Brown als Architekt der guten britischen Wirtschaft nun eine tragende Rolle im Wahlkampf. Vor ein paar Wochen noch hörte man aus Blairs Kreisen, der Rivale Brown werde nach der Wahl entlassen – um den Weg für einen Blair-Getreuen im Amt des Finanzministers frei zu machen. Doch ein massiver Vertrauenseinbruch und das gute Abschneiden der Konservativen haben Blair gezwungen, die weiße Flagge zu hissen. Seit Tagen ziehen Blair und Brown nun gemeinsam durchs Land. „Blair braucht Brown als Schutzschild“, höhnte ein führender Tory.

Blair musste ausdrücklich versichern, er werde „eine volle Legislaturperiode im Amt bleiben“. Doch die Briten spekulieren, wie lange Blair sich nach einer Wiederwahl noch halten kann. Der frühere Außenminister Robin Cook prophezeite, Blair werde schneller aus dem Amt verschwinden, als man denke – und schürte das Misstrauen zwischen Brown und Blair damit noch.

Mit Brown rückt die Wirtschaftsstabilität in den Mittelpunkt des Wahlkampfs, die eindeutige Trumpfkarte – die Labour-Regierung kann niedrige Inflation, niedrige Arbeitslosenzahlen und steigenden Wohlstand vorweisen. Wie 2001 versprach Brown auch am Mittwoch, die Einkommensteuersätze nicht zu erhöhen. Er weigerte sich aber, das Versprechen auf die Nationalversicherung auszudehnen. Howards Konter folgte auf dem Fuße: „Labour wird die Versicherung wie beim letzten Mal erhöhen, so klar, wie auf den Tag die Nacht folgt.“

Der Schwachpunkt im Labour-Programm sind die fehlenden Verbesserungen in den öffentlichen Diensten. Dieser Missstand erlaubt es den Konservativen, Themen wie Gesundheitsversorgung, Schulen, Polizei und Kriminalität wieder vor der Unterhauswahl erfolgreich ins Spiel zu bringen – neben ihrer besten Karte, dem Überdruss der Briten an der Zuwanderung. Doch die Rezepte beider Spitzenparteien klingen in diesen Punkten erstaunlich ähnlich und zeigen: Ideologische Unterschiede spielen im Wahlkampf kaum noch eine Rolle.

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