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Neue Wohnhäuser in Rostock-Warnemünde (Mecklenburg-Vorpommern).

© dpa

Wohnungsnot: Her mit der Bürgerwohnung!

Die Vorschläge der Parteien gegen Wohnungsnot sind mangelhaft. Deutschland braucht die staatlich geförderte Bürgerwohnung. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Ralf Schönball

Dass Mieteraktivisten und Immobilienlobby gemeinsam den Wohnungsmangel in deutschen Landen beklagen, ist ja ungewöhnlich genug, aber daran hatte man sich fast gewöhnt. Dass aber nun sogar die Bundesregierung den Bericht ihrer Bauministerin Barbara Hendricks beschließt, der schonungslos die Not in der Mitte der Gesellschaft aufzeigt, weil sich Normalverdiener die Mieten in Metropolen schlicht nicht leisten können, das ist dann doch beängstigend.

Denn der große gemeinsame Aufschrei zeigt zweierlei. Erstens: Der Markt allein regelt es eben doch nicht, die Politik muss handeln. Und zweitens: Es ist Wahlkampf. Deshalb stellte die Bauministerin der dramatischen Bestandsaufnahme gleich noch den Vorschlag zur Seite, der Bund möge die Berechnung des Wohngeldes an die Mietenentwicklung koppeln und die staatliche Hilfe für Bedürftige alle zwei Jahre anpassen. Auch für „mein Familiengeld“ warb Hendricks noch mal, einen Zuschuss von 8000 Euro für jede Familie mit Kind, die zum ersten Mal eine Immobilie kauft und selbst nutzt.

Ausgerechnet die SPD als Mieterpartei will Eigentum fördern? Das passt zu den Sozialdemokraten, die in die Mitte der Gesellschaft gerückt sind. Der Linken überlassen sie den unter Marktliberalen verpönten Ruf nach Regulierung. Sicher, die Mietpreisbremse ersann ein Sozialdemokrat, Bundesjustizminister Heiko Maas. Aber unter dem Druck von Grundeigentümern und Koalitionspartner zog er diese Bremse nicht richtig an, sodass die Mietpreise weiter davoneilen und Rekordmarken reißen. SPD-Kanzlerkandidat Martin Schulz verspricht zwar Korrekturen, aber ein überzeugendes Gesamtkonzept hat auch er nicht.

Länder müssten billiges Bauland zur Verfügung stellen

Die Grünen setzen auf eine „neue Wohnungsgemeinnützigkeit“, mit bezahlbaren Wohnungen, die dauerhaft in öffentlichem Eigentum bleiben. Das soll das Ärgernis beseitigen, dass die mit Abermillionen staatlicher Subventionen erstellten Sozialbauten irgendwann aus der Förderung fallen und die Hausbesitzer sie in teure Eigentumswohnungen umwandeln. Das kann man so machen. CDU und FDP dagegen wollen eine echte Hürde am Markt abräumen. Familien, die das selbst genutzte Heim kaufen, sollen künftig keine Grunderwerbsteuer mehr zahlen. Das könnte helfen, reicht aber nicht.

Deutschland braucht eine „Bürgerwohnung“, die eigene Immobilie für alle. Wie in Italien. Drei von vier Italienern haben eine eigene Wohnung, anders wäre das Leben in Rom unbezahlbar. In Berlin kosten Neubaumieten sechs Euro je Quadratmeter mehr, als der Durchschnittsverdiener sich fürs Wohnen leisten kann. Viele würden sich deshalb Immobilieneigentum zulegen, wenn sie nur könnten.

Die Bürgerwohnung ist die Lösung, wenn Bund und Länder sie wollen. Die Länder müssten billiges Bauland bereitstellen und auf Grunderwerbsteuer verzichten. Der Bund schießt ein paar tausend Euro Baukapital zu, Förderbanken gewähren „Bürgerkredite“ bis die Wohnung abbezahlt ist und der Fiskus erkennt die für den Kredit fälligen Zinsen an und das senkt die Steuerlast. Erwünschte Nebenwirkung: schuldenfreies Wohnen im Alter, das schützt vor Armut.

Natürlich wird es auch weiter private Investitionen geben, Sozialbauten, kommunale und genossenschaftliche Projekte. Aber die Bürgerwohnung als neues Format bietet etwas Sicherheit in einer Zeit, in der Leben und Arbeiten in Abschnitte und prekäre Milieus zerfällt.

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