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Wolfgang Kubicki: „Wir dürfen nicht zur Westerwelle-Partei werden“

Der Kieler FDP-Fraktionsvorsitzende Wolfgang Kubicki über die künftige Ausrichtung der Liberalen.

Freiheit oder Sozialismus, Herr Kubicki?

Diese Frage stellt sich nicht.

FDP-Chef Guido Westerwelle stellt sie.

Ich habe nicht das Gefühl, dass wir in Deutschland vor der Machtübernahme durch den Kommunismus stehen. In Deutschland etabliert sich im Zehn-Prozent-Bereich eine Linke, wie es überall in Westeuropa der Fall ist. Das sollten wir gelassen sehen. Ich kann meine Partei nur dringend vor scharfer Polarisierung und Diffamierung der Linkspartei als Extremisten warnen.

Warum?

Schon aus der Geschichte ergibt sich eine unterschiedliche Bewertung von Rechtsradikalen und der heutigen Linkspartei. Wer diese Partei undifferenziert gleichsetzt mit altkommunistischen Strömungen, die die DDR wiederbeleben wollen, verliert den Kontakt zu Wählerschichten, die eine liberale Partei braucht – nämlich junge Akademiker und gebildete Menschen. Wie sollen wir im Wahlkampf mit diesen Menschen ins Gespräch kommen, wenn wir mit platten Parolen argumentieren?

Ist die Warnung vor totalitären Regimen in Lateinamerika platt?

Junge Leute, die Chè-Guevara-Poster in ihre Zimmer hängen, zeigen, dass sie sich einbringen wollen, und werden nicht automatisch zu Linksradikalen. Will die FDP den Wettstreit mit den Grünen gewinnen, darf sich ihr Vorsitzender nicht zur Freiheitsstatue stilisieren. Die nämlich steht bekanntermaßen ganz allein im Wasser auf einer Insel vor Manhattan und ist hohl im Kopf. Solche Slogans ziehen Wähler zur FDP, die nur in Feindbildern denken. Die Union bindet im Augenblick diese Wähler kaum, wir dürfen dieses Geschäft jedoch nicht übernehmen. Denn es treibt uns in die Umklammerung der Union und raubt der FDP wichtige Optionen. Das wäre fatal.

Ein Fehler des FDP-Chefs?

Ein Fehler der ganzen Partei. Wir müssen aufpassen, dass wir nicht immer stärker zur Guido-Westerwelle-Partei verengen. Die FDP ist traditionell ein Ort starker Persönlichkeiten im pluralistischen Ideenwettstreit. Das muss wieder deutlich werden. Nehmen Sie die unerträgliche Beschneidung der freiheitlichen Bürgerrechte durch Schwarz-Rot.

Sie meinen die Genehmigung von Online- Untersuchungen zur Terrorabwehr?

Natürlich. Liberale können es nicht hinnehmen, wenn sich Behörden heimlich in die Festplatten von Bürgern einschleichen oder die Bundeswehr polizeiliche Aufgaben übernehmen soll. Was hier passiert, ist eine umfassende Außerkraftsetzung des Rechtsstaates. Das wird bemäntelt mit dem falschen Versprechen an die Bürger, sie vor Terror zu schützen. Das offenzulegen, muss stärker ins Zentrum liberaler Politik gerückt werden.

Das Gespräch führte Antje Sirleschtov.

Wolfgang Kubicki (FDP) ist seit 1992 Abgeordneter des schleswig-holsteinischen Landtages in Kiel. Seit April 2005 ist er außerdem Vorsitzender der Landtagsfraktion der Liberalen.

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