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United we stand? Trump-Gegnerin Julie Adams mit zwei Soldaten der Nationalgarde.

© privat

"Women's March" in Washington: "Trump ist ein moralisch entleerter Mann"

Hunderttausende wollen an diesem Samstag mit einem Protestzug durch die amerikanische Hauptstadt gegen den neuen Präsidenten demonstrieren. Eine Teilnehmerin erzählt.

Nashville, die Hauptstadt der Country-Musik, ist eine liberale Insel im konservativen Meer des amerikanischen Südens. Viele Musiker, die dort arbeiten, sind zwiegespalten: Sie spielen mitunter für ein Publikum, das Donald Trump verehrt, aber führen ein weltgewandtes Leben. Wie zum Beispiel die Cellistin Julie Adams. Die 49-Jährige ist am Donnerstag mit einer Freundin nach Washington aufgebrochen. Nicht wegen der Feiern zur Amtseinführung des neuen Präsidenten, sondern um mit Hunderttausenden am "Women's March" an diesem Samstag teilzunehmen. Wir haben mit ihr über ihre Beweggründe gesprochen.

Julie, Sie sind bereits mit dem "Mormon Tabernacle Choir" aufgetreten. Am Freitag hat er für Donald Trump "America The Beautiful" gesungen. Was ging Ihnen dabei durch den Kopf?

Ich verstehe, dass Leute das Amt des Präsidenten und den friedlichen Übergang der Macht respektieren wollen. Normalerweise wäre dies ein Tag des Feierns und der Hoffnung. Es ist gut, sich davon etwas zu erhalten. Chöre sollen singen und Bands auftreten - genauso wie Leute boykottieren und protestieren sollen.

Warum haben Sie die zehnstündige Fahrt von Nashville nach Washington auf sich genommen?

Trumps Aufstieg habe ich in den letzten beiden Jahren mit Horror verfolgt. Bis zum Erbrechen habe ich bei Facebook dagegen opponiert, ich habe mir Predigten in der Kirche angehört und mit meinen Freunden diskutiert. Als ich erfuhr, dass es den Marsch auf Washington gibt, habe ich beschlossen, meinen Worten auch Taten folgen zu lassen. Ich will ein sichtbarer Teil des Widerstandes sein - auch wenn ich gerade erst eine Knöcheloperation überstanden habe.

Wie haben Sie die Amtseinführung erlebt?

Wir haben beide Seiten gesehen und gespürt. Freunde haben uns in ihrem Haus aufgenommen, gerade einmal zwei Blocks vom Kapitol entfernt. Der Hubschrauber mit den Obamas flog über uns hinweg, vor der Tür zogen Demonstranten her, aber oben in der Küche haben ein republikanischer Abgeordneter und seine Leute mit Champagner auf den Tag angestoßen. Mir kommt es so vor, als ob in dieser Stadt gerade ziemlich viele Menschen gute Miene machen, obwohl sie eigentlich ziemlich besorgt sind.

Wie ist Trumps Antrittsrede bei Ihnen angekommen?

Einige Kommentatoren hier hielten sie für einigermaßen ausgewogen. Ich fand sie schrecklich. Ein "amerikanisches Massaker"? In welchem Land lebt der nur! Sicher nicht in meinem. Ein moralisch entleerter Mann hat da eine moralisch hohle Rede gehalten.

Was erwarten Sie vom "Women's March"?

Das könnte mein Leben verändern und mich zugleich bestärken. Wir versammeln uns nicht unbedingt, um Trump fertigzumachen. Wir sind gekommen, um unsere Stimme zu erheben. Alle sollen sehen, wenn wir für Bürgerrechte und die Gleichheit aller marschieren und für einen verantwortungsvollen Umgang mit unserem Planeten.

Fürchten Sie keine gewalttätigen Auseinandersetzungen?

Nein. Ich weiß, dass alle friedlich zusammenkommen werden. Ganz sicher wird es Leute geben, die uns aufstacheln wollen. Aber wir sind vereint in unserer Mission.

Samstag ist erst der erste volle Tag einer vierjährigen Präsidentschaft. Werden Sie sich zurück in Tennessee auch engagieren?

Absolut! So viel wie irgend möglich. In der Kirche, in verschiedenen Initiativen - wir werden ohne Ende für Gerechtigkeit kämpfen.

Amerika ist ein tief gespaltenes Land. Wie kann es wieder vereint werden?

Einigkeit ist überbewertet. Ernsthaft. Trumps Wähler haben gegen ihre eigenen ökonomischen Interessen gestimmt. Sie haben dafür gestimmt, Millionen wieder aus der Krankenversicherung zu werfen und die Umweltverschmutzer ungestraft ihr Ding machen zu lassen. Sie fühlen sich unterdrückt, aber machen die Falschen dafür verantwortlich. Solange sie nicht sehen, was passiert, wenn die Angstmacher die Macht übernehmen, wird es einen tiefen Graben geben.

Aber muss man dem Hass nicht schneller Einhalt gebieten?

Vielleicht musste erst ein Tyrann ins Weiße Haus einziehen, damit jeder die Probleme erkennt, die schon langer unter der Oberfläche vorhanden waren. Wir müssen da jetzt durch. Überwiegend friedlich. Aber nicht immer.

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