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Hoffnung mit Hühnerzucht. Mit dem Dung der Hühner wollen diese Frauen aus Bangui die Beete fruchtbarer machen. Der Boden gab bislang nichts her.

© Dagmar Dehmer

World Food Convention: Zum Leben zu wenig

Die Lage der Landwirtschaft in Zentralafrika ist miserabel. Die Afrikanische Entwicklungsbank will in 34 afrikanischen Ländern 50 000 junge Leute zu erfolgreichen Farmern machen - die Zentralafrikanische Republik gehört nicht dazu.

In der Zentralafrikanischen Republik hungern mehr Menschen als irgendwo sonst auf der Welt. Im Welthungerindex der Welthungerhilfe und des Washingtoner Thinktanks „Ifpri“ steht das Land seit Jahren weit hinten. Viele Kinder haben rötliche Haare, bei manchen fehlen ganze Büschel, manche liegen reglos in den Babytüchern ihrer Mütter, zu erschöpft, um sich zu wehren - deutliche Zeichen für dauerhafte Unterernährung. Der Krisenstaat hat seit knapp zwei Jahren eine neue Regierung, die insbesondere in die Landwirtschaft investieren will. Aber in jüngster Zeit nahm die Gewalt zwischen den islamistischen Seleka-Milizen und den christlichen Anti-Balaka-Milizen im ganzen Land wieder zu.

In der Zentralafrikanischen Republik sind die Probleme der afrikanischen Landwirtschaft wie unter einem Brennglas zu besichtigen - auch wenn sie nicht überall so dramatisch sind wie hier. Die Welthungerhilfe versucht seit einigen Jahren beim Aufbau der Landwirtschaft zu helfen. Sie unterstützt beispielsweise das staatliche Agrarforschungsinstitut Institut Centrafricain pour la Recherche Agricole (Icra) dabei, die Arbeit überhaupt wieder aufzunehmen. In Boukoko, nicht weit von der Hauptstadt Bangui entfernt, betreibt das Institut Forschungsfelder. Dort wird Saatgut gezogen, das für Böden und Klima im Land geeignet ist - und einen Mindeststandard bei der Qualität erfüllt.

Maniok übersteht auch Krieg und Gewalt

Auf einigen Feldern wachsen verschiedene Maniok-Sorten. Maniok ist eine Knollenfrucht, deren Blätter aber auch zu Gemüse verarbeitet werden können. Manche Pflanzen sehen aus wie Mini-Bäume mit knallgrünen Blättern, andere sehen kümmerlich aus, und die Blätter sind braun. In den vielen kriegerischen Auseinandersetzungen war Maniok oft das Einzige, was die Menschen noch zu essen hatten. Denn die Pflanze kann jahrelang wachsen und auch fast durchgehend geerntet werden. Als Lebensmittel hat Maniok allerdings nur einen Nutzen: Maniokmehl macht satt. Vitamine oder andere wichtige Nährstoffe hat die Knolle nicht zu bieten. Aber Maniok ist das wichtigste Nahrungsmittel in der Zentralafrikanischen Republik. Die Bauern brauchen produktives Saatgut. Denn die Böden sind hier im Zentrum des Kontinents nährstoffarm und teilweise ausgelaugt.

Das Agrarforschungsinstitut versucht zudem, Kaffeepflanzen so zu optimieren, dass auch diese Kulturpflanze wieder angebaut werden kann. Es experimentiert mit Pfeffer, Vanille und anderen Gewürzen. Doch bevor sie die Arbeit wieder aufnehmen konnte, hat die Welthungerhilfe erst einmal einen Teil der Gebäude wieder instandgesetzt. Zwei Traktoren stehen im Hof, einer funktioniert, der zweite ist kaputt. „ Es war schwierig, den zu finden“, berichtet Dirk Raateland von der Welthungerhilfe. Gefunden haben sie den Taktor in Algerien.

Die Entwicklungsbank investiert in die Landwirtschaft

In Algerien produziert der Agrarmaschinenkonzern AGCO seit 2012 Massey-Ferguson-Traktoren. Die besten Geschäfte macht das Unternehmen im Süden Afrikas. Südafrika ist traditionell ein Agrar-Export-Staat. In Sambia haben viele in Simbabwe enteignete Farmer ein neues Geschäft aufgebaut. Dort hat AGCO auch eine Ausbildungsfarm gegründet. Für den Chef der Afrikanischen Entwicklungsbank AfDB Akinwumi Adesina steht es außer Frage, dass die afrikanische Landwirtschaft eine „Intensivierung“ braucht. Ein Großteil der Landwirtschaft auf dem Kontinent ist Subsistenzwirtschaft. Das heißt, die Bauern haben keine oder nur geringe Überschüsse. „Die afrikanische Landwirtschaft ist überaltert“, sagte Adesina dem Tagesspiegel. Die meisten Bauern seien zwischen 60 und 65 Jahre alt. Was sie produzieren, reicht gerade, um zu überleben. Die AfDB will in den kommenden zehn Jahren 50 000 junge Bauern erreichen, damit sie „aus der Landwirtschaft ein Geschäft machen“. Rund 800 Millionen Dollar will die Bank in 34 Ländern investieren, um die Ernährungssicherheit auf dem Kontinent zu erhöhen. „Es ist doch absurd, dass Afrika jedes Jahr für etwa 35 Milliarden Dollar Lebensmittel importiert“, sagt Adesina.

Die afrikanischen Bauern hätten in vielen Ländern kaum eine Chance, über die Selbstversorgung hinauszukommen. Es fehle an Krediten für die Bauern, damit sie in ihr Land mehr investieren können, um am Ende auch mehr zu ernten. In der Zentralafrikanischen Republik kämpft eine Gruppe von Gärtnern in Bangui genau damit. Der Boden gibt kaum etwas her. Die Welthungerhilfe hat deshalb einigen Frauen dabei geholfen, eine Hühnerzucht zu beginnen. Vor allem, um den Dung der Hühner auf die Beete zu bringen. Da die Eier in Bangui aber aus Indien importiert werden und die meisten Hühner aus Kamerun, gibt es auch für Eier und Hühner einen Markt.

Agrarkredite gelten als riskant

Akinwumi Adesina sagt, dass von den 14 Milliarden Dollar, die auf dem ganzen Kontinent in einem Jahr an Darlehen vergeben werden, gerade mal 800 Millionen Dollar an die Bauern gehen. Die Kredite gelten als riskant, aber tatsächlich seien die Kreditausfälle „sehr gering“. Adesina ist in dieser Frage leidenschaftlich: „Kein Kind sollte hungern.“ Wenn Kinder unter fünf Jahren nicht genug zu essen haben, werden sie als Erwachsene, wenn sie überleben, immer weniger produktiv sein und weniger verdienen als Kinder, die gut ernährt wurden. Das hat das Ifpri in einer umfangreichen Studie vor einigen Jahren herausgefunden.

Aktuell leben in Afrika 58 Millionen Kinder, die hungern oder unterernährt sind, sagt Adesina. „Das ist eine besorgniserregende Zahl.“ Bevor Adesina 2015 zum Präsidenten der AfDB gewählt wurde, war er Landwirtschaftsminister in Nigeria. Adesina hat die Importabhängigkeit für die Nahrungsmittelversorgung in seinem Land gemindert. Das war vor allem der direkten Unterstützung der Bauern zu verdanken. Seit Jahren sollten sie Zuschüsse für den Kauf von Dünger bekommen. „Doch das Geld kam nicht an“, berichtet Adesina. Er stellte die Zahlungen auf Direktzahlungen auf die Mobiltelefone der Bauern um - und spürte den Effekt. Vor einigen Wochen bei einem Kongress des Entwicklungsministeriums zum Thema hielt Adesina eine leidenschaftliche Rede, die in der Forderung gipfelte, „in die Ernährung der afrikanischen Kinder zu investieren“. Eine bessere Investition „kann ich mir nicht vorstellen“, sagte er. Damit das klappt, hofft er zunächst auf eine „Rekapitalisierung“ der AfDB.

Die Autorin war im Oktober 2016 auf Einladung der Welthungerhilfe in der Zentralafrikanischen Republik.

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