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Wulff-Affäre: Wie geht es für den Bundespräsidenten weiter?

Bei den Verfehlungen anderer sparte Christian Wulff nie an Kritik. Gerne hob er mahnend den Zeigefinger, wenn es um Amstverständnis und Moral ging. Dass die Debatte über den Bundespräsidenten und umstrittene Vorgänge aus seiner Zeit als niedersächsischer Ministerpräsident nicht abreißt, hat vielleicht auch mit dieser Haltung zu tun.

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Bei den Verfehlungen anderer sparte Christian Wulff nie mit Kritik. Gerne hob er mahnend den Zeigefinger, wenn es um Amtsverständnis und Moral ging. Dass die Debatte über den Bundespräsidenten und umstrittene Vorgänge aus seiner Zeit als niedersächsischer Ministerpräsident nicht abreißt, hat vielleicht auch mit dieser Haltung zu tun. Täglich gibt es neue Enthüllungen, zu denen die Anwälte Wulffs Stellung nehmen müssen. Neuester Kritikpunkt: Der Hannoveraner Unternehmer und Freund Wulffs, Carsten Maschmeyer, finanzierte die Anzeigenkampagne für das Interview-Buch „Besser die Wahrheit“ mit dem damaligen Ministerpräsidenten Niedersachsens.

Wie verhält sich Wulff zu der Finanzspritze?

Wulffs Anwalt Gernot Lehr beharrt darauf: Seinem Mandanten sei von der Finanzierung der Anzeigenkampagne für das Buch durch Maschmeyer nichts bekannt, sagte Lehr am Dienstag dem Tagesspiegel. Was Wulff nicht wusste, kann man ihm nicht vorwerfen – aber ob Maschmeyer seinerseits aus reiner Freundschaft über 40 000 Euro bezahlte, ist fraglich. Für Grünen-Fraktionschefin Renate Künast riecht das schon nach einer trickreichen Umgehung des Parteispendenrechts. Der Bundespräsident müsse jetzt „klar Schiff machen“, um Schaden vom Amt abzuwenden, sagte sie am Dienstag und bezweifelte, dass Wulff nichts von der Anzeigenfinanzierung gewusst habe.

Wulff selbst lässt durch seinen Anwalt mitteilen, dass er die Einschätzung nicht teile, dass sein Interview-Buch ein wichtiges Mittel im Landtagswahlkampf 2007 gewesen sei. Und im Übrigen müsse jedermann davon ausgehen, dass ein Verlag die Werbung für seine Publikationen bezahle. Manfred Bissinger, Leiter Corporate Publishing im Verlag Hoffmann und Campe, sagte, dass Wulff nichts von der Anzeigenfinanzierung gewusst habe, und auch der Buchautor selbst, der Bild-Journalist Hugo Müller-Vogg, will davon nichts geahnt haben.

An anderer Stelle kann Wulff zunächst aufatmen: Der Ältestenrat des niedersächsischen Landtags konnte sich am Dienstag nicht auf eine erneute Prüfung der Vorwürfe gegen ihn einigen.

Was genau passierte am Dienstag im niedersächsischen Ältestenrat?

Alles dreht sich in Hannover um die Frage, ob der heutige Bundespräsident vor anderthalb Jahren den Landtag falsch unterrichtet hat, als er nach Geschäftsbeziehungen zu seinem alten Freund Egon Geerkens gefragt wurde. Wulffs Staatskanzlei ließ das damals verneinen – obwohl doch die Ehefrau Edith Geerkens dem CDU-Politiker einen 500 000-Euro-Kredit gewährt hatte. Damit war die Antwort falsch, meinten SPD, Grüne und Linke. Wulff, erklärten sie, habe wohl gegen Artikel 24 der Landesverfassung verstoßen. Der besagt, dass die Regierung auf Anfragen „nach bestem Wissen unverzüglich und vollständig“ zu antworten hat.

Also beantragte die Opposition eine Sondersitzung des Ältestenrates. Parlamentspräsident Hermann Dinkla lud kurzfristig für Dienstagnachmittag ein und löste damit gewaltige mediale Aufregung aus – so, als urteile jetzt im Landtag ein Ehrengericht über die damalige Rolle des heutigen Staatsoberhauptes. Doch der Ältestenrat ist kein Sondergericht und keine Ethikkommission, sondern lediglich einer von vielen Ausschüssen des Landtags.

In der Sitzung trugen die Fraktionsführer von SPD und Grünen, Stefan Schostok und Stefan Wenzel, eigene Anträge vor: Das Gremium möge darüber beraten, ob Wulff mit der knappen Antwort auf die damalige Frage der Grünen unvollständig Auskunft gegeben hat. Es möge auch klären, ob Wulff bei der Annahme des Geerkens-Kredites und bei seinen Urlaubsreisen gegen das Ministergesetz verstoßen hat – das nämlich verbietet Regierungsmitgliedern den Empfang von Belohnungen und Geschenken „in Bezug auf ihr Amt“.

Doch CDU und FDP blockten rasch ab, beantragten den Schluss der Debatte und setzten dies mit ihrer Mehrheit im Gremium durch. „Die Opposition hat sich verrannt. Der Ältestenrat ist nicht der Ausschuss, in dem solche Fragen besprochen werden können“, erklärte CDU-Fraktionschef Björn Thümler. Christian Dürr, FDP-Fraktionsvorsitzender, hielt RotGrün sogar ein „politisches Spielchen“ und eine „reine Show-Veranstaltung“ vor.

Mit dem Abbruch verhinderte die Koalition mögliche kritische Nachfragen an die anwesenden Landtagsjuristen. Diese hatten in einem Kurzgutachten noch einmal ausdrücklich betont, dass Regierungsmitglieder keine Vorteile annehmen dürfen – sofern der Geldgeber sich davon leiten lässt, dass der Empfänger Minister oder Ministerpräsident ist. Nähere Ausführungen zum konkreten Fall Wulff lehnten die Juristen ab, eine längere Debatte im Ältestenrat hätte aber vielleicht dazu geführt, dass sie sich doch zu einer Wertung hinreißen lassen. Doch dazu fehlte jede Gelegenheit. SPD und Grüne indes wollen nicht locker lassen. Gegenüber Journalisten habe sich Wulff über seine Anwälte schon geöffnet. „Das steht uns auch zu“, betonte der Grünen-Fraktionschef.

Wie urteilte Wulff selbst in der Vergangenheit?

Von SPD und Grünen wird der heutige Bundespräsident bezichtigt, früher ganz anders über die Nähe der mächtigen Wirtschaftsführer zur Politik geurteilt zu haben. Etwa vor zwölf Jahren, als der damalige niedersächsische Ministerpräsident Gerhard Glogowski (SPD) nach nur einem guten Jahr Amtszeit zurücktrat. Mehrere Dinge wurden Glogowski seinerzeit vorgehalten: Private Feiern seien von Unternehmen gesponsort worden, er habe Vergünstigungen bei Flugreisen angenommen. Auf Druck der damaligen CDU- Landtagsopposition gab es noch einen Untersuchungsausschuss zu den Vorgängen. Es war Oppositionsführer Wulff, der sich vehement für diesen Ausschuss einsetzte. Bei Glogowski sei ein „Schein von Abhängigkeit“ entstanden, rügte Wulff damals. Vorteilsannahme sei mit dem Amt des Ministerpräsidenten nicht vereinbar. Das passt zur Frühphase des Politikers Wulff, in der er sich als Vertreter eines neuen Politikstils anpries: „Ehrlich, mutig, klar“ lautete sein Leitspruch.

Nun ist es Wulff, der unter Druck steht. Am Dienstag legte der Kölner Kardinal Joachim Meisner dem Bundespräsidenten den Rücktritt nahe, falls die Vorwürfe gegen ihn zutreffen. Wenn ihn als Kirchenmann solche Anschuldigungen zu recht treffen würden, „müsste ich meinen Hirtenstab abgeben, dann müsste ich resignieren“, sagte Meisner.

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