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Kuren und Rentenzusätze für pflegende Angehörige sind in Aussicht gestellt.

© IMAGO

Wunschliste für Reform: Röslers Pflegefall

Kuren und Rentenzusätze: Der Plan der Regierung, Angehörigen mehr zu helfen, ist kaum angreifbar – weil er so unverbindlich bleibt.

Berlin - Was sich Philipp Rösler für pflegende Angehörige wünschen würde, hat er klargestellt: einen Rechtsanspruch auf Kuraufenthalte mit den Pflegebedürftigen und die stärkere Berücksichtigung von Pflegezeiten für die spätere Rente. Auf welche Weise beides Wirklichkeit werden soll, hat der Gesundheitsminister jedoch im Vagen gelassen. Die Ideen, so sagt sein Sprecher Holger Schlienkamp am Tag danach, seien „bewusst offen formuliert“. Sie seien als „politischer Anstoß“ zu verstehen, Detailkonzepte gebe es noch nicht. Und natürlich müsse man nach „bezahlbaren Lösungen suchen“.

Übers Geld will der FDP-Minister erst sprechen, wenn die Wunschliste für die Pflegereform komplett und die gefährlichen Landtagswahlen, speziell die in Baden-Württemberg, über die Bühne sind. Das nimmt seinen Forderungen den Ernst, denn ums Geld geht es ganz zentral und bei fast allem, was Pflege menschlicher machen könnte. Doch Röslers Vorgehen ist politisch bequem. Solange nicht übers Finanzielle gestritten werden muss, ist politischer Widerstand kaum zu erwarten. Gegen Verbesserungen für pflegende Angehörige und Demenzkranke kann selbst die Opposition nichts haben.

Hat sie auch nicht. Beispiel Rente. Die Aufwertung der Pflegezeiten wäre ein richtiger Schritt, sagt Elisabeth Scharfenberg (Grüne). Schon jetzt zahlen die Pflegekassen Beiträge für pflegende Angehörige, doch liegen diese deutlich unter denen für Kindererziehung. Sie richten sich nach Pflegestufe und Zeitaufwand und werden auf der Basis eines fiktiven Gehalts errechnet, dessen Spanne derzeit zwischen 681,33 Euro und 2044 Euro im Monat liegt (westliche Bundesländer). Potenziell Berufstätige kommen so für ein Jahr Pflege auf ein monatliches Rentenplus zwischen 7,35 Euro und 22,04 Euro. Im vergangenen Jahr berappten die Pflegekassen für privat Pflegende Rentenbeiträge von 930 Millionen Euro.

Kindererziehungszeiten werden großzügiger berücksichtigt. Hier wird pauschal ein fiktives Monatseinkommen von 2500 Euro zugrunde gelegt, also mehr als selbst für die zeitaufwendige Betreuung schwerster Pflegefälle. Würden diese 2500 Euro auch für pflegende Angehörige angesetzt, würde ihre Monatsrente pro Pflegejahr um 27 Euro aufgestockt. Allerdings ist hier nicht Rösler, sondern Sozialministerin Ursula von der Leyen (CDU) in der Bringschuld. Und die tut sich bekanntlich schon schwer mit dem verfassungsgerichtlich verordneten Aufschlag für die Hartz-IV-Bezieher.

Auch der Rechtsanspruch auf Kuren wäre aus Expertensicht eine prima Sache. Doch profitieren werde davon nur ein Teil der Pflegenden, prognostiziert Scharfenberg. Außerdem drohten Antragstellern dann ähnliche „Gewaltmärsche“ wie bei Mutter-Kind-Kuren. Trotz des verbrieften Anspruchs wurde hier 2009 jeder dritte Antrag abgelehnt. Die Bewilligung entsprechender Kuren gehe seit Jahren zurück, klagt der Deutsche Heilbäderverband. Hinzu kommen finanzielle Risiken. Die bestehende Möglichkeit, Pflegebedürftige im Urlaub für bis zu 28 Tage abzugeben, wird auch deshalb kaum genutzt, weil man Gefahr läuft, auf einem stattlichen Teil der Kosten sitzenzubleiben.

Kuren und Rentenanwartschaften seien „Tropfen auf den heißen Stein“, sagt Kathrin Senger-Schäfer, Pflegeexpertin der Linken. Die Hauptprobleme pflegender Angehöriger lösten sie nicht. Dazu müsse man schon weg vom Teilkaskoprinzip der Pflegeversicherung und hin zu „echter Leistungsanpassung“. Pflegende Angehörige bräuchten „mehr als Trostpflästerchen“, meint auch Scharfenberg. Kuren könnten entlasten. Wichtiger aber sei es, „Überforderungen vorzubeugen, die eine Kur nötig machen“. Und die Aussicht auf ein paar Euro mehr an Rente helfe im kräftezehrenden Alltag auch nicht weiter.

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