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Yasmin Fahimi, SPD-Generalsekretärin.

© dpa

Yasmin Fahimi und ihre "Wahlwochen": Führen wir die Wahlpflicht ein!

"Wahlwochen" als Mittel gegen Wahlenthaltung? Da gibt es Besseres. Yasmin Fahimi könnte zum Beispiel aufhören, ihre gestanzte Politikautomaten-Zombiesprache zu verwenden. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Harald Martenstein

Die SPD-Generalsekretärin Yasmin Fahimi macht sich Sorgen darüber, dass immer weniger Menschen wählen gehen. Deshalb schlägt sie vor, dass man künftig nicht nur an einem Sonntag im Wahllokal wählen darf, sondern eine ganze Woche lang an den verschiedensten Orten, etwa in Bahnhöfen.

Diese Idee rührt mich. Frau Fahimi denkt, dass man den Wählern einfach nur helfen muss. Dass manche Wähler zum Wählen keine Lust haben, diese Möglichkeit befindet sich jenseits ihres Vorstellungsvermögens. Der Vorschlag illustriert, wie groß die Distanz zwischen Regierenden und einem Teil der Regierten geworden ist.

Die Leute verzichten nicht etwa deshalb auf ihr Wahlrecht, weil ihnen der Weg zum Wahllokal zu mühsam ist. Es gibt schließlich Briefwahl, das ist bequem. Die Leute wählen deshalb nicht, weil sie das Gefühl haben, mit ihrer Stimme nicht viel bewegen zu können. Die Parteien im Parlament unterscheiden sich kaum. Bundestagsdebatten sind so monoton, dass man Sehnsucht nach einer Fernsehübertragung der Ziehung der Lottozahlen bekommt oder nach dem Song „Autobahn“ von Kraftwerk. Und nach der Wahl machen die Politiker eh, was sie wollen. Das ist eine verbreitete Stimmung. Im Grunde, denken die Nichtwähler, müsste man auch die übrigen Parteien an jenen Ort schicken, wo sich bereits die FDP befindet.

Nicht wenige Politiker klingen so faszinierend wie Erich Honecker

Wenn Frau Fahimi etwas für die Akzeptanz des politischen Systems tun möchte, sollte sie aufhören, diese gestanzte, auswendig gelernte Politikautomaten-Zombiesprache zu verwenden, wie man sie gerade von ihr häufig hört. Nicht wenige unserer Politiker klingen inzwischen so faszinierend wie Erich Honecker, ich meine damit den Stil, nicht die Inhalte. Werden Sie halt ein Mensch aus Fleisch und Blut, Frau Fahimi. Gehen Sie ins Risiko, sagen Sie etwas Überraschendes. Sagen Sie zum Beispiel: „Dazu habe ich noch keine fertige Meinung.“

Dieser Vorschlag ist natürlich unrealistisch. Was eventuell funktionieren könnte und in die politische Landschaft passt, wäre eine Steuerermäßigung, die Wählern gewährt wird, ein umgekehrter Soli, der Politik-Solidaritätsabschlag. An anderer Stelle könnt ihr ja, wie immer, unauffällig die Steuern erhöhen, man kann das kostenneutral hinkriegen, Hauptsache, es fällt nicht auf. Am vernünftigsten aber ist folgende Idee: Die Bundestagsparteien einigen sich intern auf eine Einheitsliste, die Liste der sozial gerechten, ökologischen Einheit für Frieden und nachhaltige Demokratie, das macht die Wahl deutlich unkomplizierter. Und dann führen wir die Wahlpflicht ein, wobei man die Stimme auch an eine Person des Vertrauens delegieren darf. Auf diese Weise bekommt man 99 Prozent Wahlbeteiligung. Viele Staaten haben damit gute Erfahrungen gemacht.

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