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Politik: Yehuda Bauer im Gespräch: "Die Demokraten müssen auf die Straße"

Yehuda Bauer (75) war Direktor des "International Institute for Holocaust Research" der israelischen Gedenkstätte Yad Vashem. Im letzten Jahr haben Rechtextremisten in Deutschland fast 16 000 Straftaten verübt - so viele wie nie zuvor seit der Wiedervereinigung.

Yehuda Bauer (75) war Direktor des "International Institute for Holocaust Research" der israelischen Gedenkstätte Yad Vashem.

Im letzten Jahr haben Rechtextremisten in Deutschland fast 16 000 Straftaten verübt - so viele wie nie zuvor seit der Wiedervereinigung. Welche Reaktionen hat diese Eskalation in Israel ausgelöst?

Die Zahl wurde in Israel durchaus wahrgenommen. Auch wenn es in Deutschland nur relativ wenige Rechtsextremisten gibt, sieht man doch die Gefahr, dass die Jugend angesteckt wird. Außerdem werden die Rechtsextremisten mehr und mehr gewalttätig. Aber es ist unwahrscheinlich, dass in Deutschand eine große Krise kommt, durch die dann eine marginale Erscheinung wie die "Republikaner" eine zentrale Bedeutung erlangt. Also haben die israelischen Zeitungen über die Niederlage der "Republikaner" bei den Landtagswahlen in Baden-Württemberg nur am Rande berichtet.

Nach dem Brandanschlag auf die Düsseldorfer Synagoge Anfang Oktober hat der Präsident des Zentralrats der Juden, Paul Spiegel, öffentlich bezweifelt, dass der Wiederaufbau jüdischer Gemeinden in Deutschland richtig war. Wird diese Skepsis in Israel geteilt?

Das wurde hier sofort groß gebracht. Wie alles, was Spiegel sagt. Die konservativen Israelis fragen dann: Was haben Juden nach dem Holocaust überhaupt in Deutschland zu suchen? Die liberalen Israelis sagen, jeder soll leben können, wo er will.

Glauben Sie, in Deutschland wird genug gegen die rechte Gefahr unternommen?

Es ist niemals genug. Aber es muss im Interesse Deutschlands als dem führenden Staat in Europa sein, dass sich der Rechtsextremismus nicht weiter ausbreitet. Vor allem in der Erziehung muss viel getan werden. Ich glaube allerdings, dass der Holocaust im Schulunterricht nicht richtig behandelt wird. Den deutschen Jugendlichen wird das Thema eingetrichtert, wie mit einem Hammer. So kann man nicht erziehen.

Was erwarten Sie von einem NPD-Verbot?

Ich bin da unentschieden. Wenn man die NPD verbietet, erscheint sie am nächsten Montag unter anderem Namen. Es wäre besser, die NPD direkt zu bekämpfen. Wenn die Rechtsextremisten auf die Straße gehen, sollten es die Demokraten auch tun.

Wie erklären sich Politik, Medien, Wissenschaft in Israel die Zunahme von Rechtsextremismus und Antisemitismus in Deutschland?

Die Medien und die Politik befassen sich da nicht mit Erklärungen und Analysen. Die Akademiker schon. Man sieht, dass es in Europa keine nationalen Gesellschaften mehr gibt. Wenn viele ausländische Arbeitskräfte ins Land geholt werden, fühlen sich manche Einheimische bedroht. Dann gibt es Reaktionen wie, "wir Deutsche verteidigen jetzt Friedrich den Großen gegen die Türken". So was ähnliches gibt es auch in Skandinavien, in Großbritannien, in Holland. Auch in Tschechien fängt das jetzt an. Und wenn die EU erweitert wird, werden noch mehr kulturelle Minderheiten in die Länder kommen. Unabhängig davon wird auch in Israel die Fremdenfeindlichkeit zunehmen.

Wie erklären Sie sich den Unterschied zwischen der Situation in Deutschland - Zunahme rechter Kriminalität, aber kaum Erfolge für extreme Parteien - und der Lage in Österreich, wo die FPÖ an der Regierung beteiligt ist und weniger Gewalttaten verübt werden?

Auch wenn die FPÖ nach den letzten Wahlen geschwächt erscheint, ist die Basis einer rechtsgerichteten Politik in Österreich viel breiter als in Deutschland. Das ist eine Frage der Tradition. Viele Österreicher sind in traditionellem Denken verwurzelt - sie kompensieren damit, dass Österreich ein Kunstprodukt ist. Außerdem ist die Mentalität des "Ich will meine Ruhe haben" verbreitet und eine gute Grundlage für eine rechtsextreme Partei. Gewalt ist dann nicht mehr nötig.

Der Anschlag auf die Synagoge in Düsseldorf wurde von jungen Hitler-Fans arabischer Herkunft verübt. Bewegen sich, auch angesichts des israelisch-palästinensischen Konflikts, Antisemiten aus dem Nahen Osten und deutsche Rechtsextremisten aufeinander zu?

Das ist durchaus denkbar. Zwar will die Mehrheit der Moslems in Europa nichts mit Gewalt zu tun haben, aber eine kleine Minderheit ist militant. Wir müssen sehr aufpassen, wenn Rechtsextremismus mit dem Nahostkonflikt in Berührung kommt.

Im letzten Jahr haben Rechtextremisten in Deutschl

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