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Das Verbot hindert die Türken nicht daran, sich freien Zugang zu Youtube zu verschaffen.

© ddp

Update

Youtube in der Türkei: Erst verbieten, dann kassieren

Das Video-Portal Youtube ist seit zwei Jahren in der Türkei verboten – aber Steuern zahlen soll das Unternehmen bitteschön trotzdem, sagt die Regierung in Ankara.

Fast 16 Millionen Euro will die Türkei von Youtube: Das Portal zieht trotz des Verbots viel Werbung aus der Türkei an, weil Millionen Türken den Bann umgehen. Die Regierung macht nicht den Eindruck, als sei sie sich der Absurdität der Lage bewusst. Denn kurz vor dem kuriosen Steuerbescheid wurden die Beschränkungen der Internet-Nutzung sogar noch einmal ausgeweitet. Die Behörden sperrten auch Teile des Youtube-Besitzers Google für türkische Nutzer. Kritiker ziehen dagegen vor Gericht.

Wegen angeblicher Beleidigung des türkischen Staatsgründers Mustafa Kemal Atatürk in einem Videoclip auf Youtube ist das Portal seit Mai 2008 von türkischen Computern aus nicht mehr direkt zu erreichen. Das türkische Internetgesetz ermöglicht es stramm-nationalistisch eingestellten Richtern, eine Internetseite sofort und ohne Anhörung der Betroffenen zu sperren.

Nicht nur Youtube ist gesperrt. Schätzungsweise 3700 Websites sind inzwischen per Gerichtsbeschluss blockiert. Darunter sind Internetseiten aus dem Dunstkreis der als staatsfeindlich eingestuften PKK-Kurdenrebellen, aber auch die Website des britischen Biologen Richard Dawkins, der sich mit seinem Eintreten für die Evolutionstehorie den Zorn eines türkischen Darwin-Gegnern zuzog. Und schon wurde seine Website gesperrt.

Dass so etwas peinlich ist für ein Land, das Mitglied der EU werden will, weiß auch Staatspräsident Abdullah Gül. Die Türkei sei doch ein Land, das mit dem Rest der Welt eng verbunden sei, betonte der Präsident, nachdem die neuesten Einschränkungen für Google bekannt wurden. "Solche Verbote sollte es in der Türkei nicht geben," betonte er - die Stellungnahme des Staatschefs wurde unter anderem per Twitter verbreitet. Auch Internetfirmen und Menschenrechtler kritisieren das drakonische Internet-Gesetz. Geändert hat sich bisher trotzdem nichts.

Selbst Erdogan schaut sich Videos auf Youtube an

Das hindert die findigen Türken nicht daran, sich über Proxy-Sites und andere Hilfsmittel freien Zugang zu Youtube zu verschaffen. Selbst Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan gab öffentlich zu, sich über das Verbot hinwegzusetzen und sich Clips auf Youtube anzuschauen. Nach Angaben des Internet-Dienstes Alexa, der die Popularität von Websites misst, rangiert Youtube in der Türkei trotz des Verbots auf Platz fünf der Beliebtheitsskala. Steuert man das Video-Portal von einem türkischen Computer aus an, wird man von zahlreichen Anzeigen in türkischer Sprache begrüßt.

Und das wurmt den türkischen Verkehrs- und Telekomminikationsminister Binali Yildirim. Ihm sei es egal, wie groß und mächtig Google sei, sagte er jetzt vor Journalisten und warf sich in die Pose des Vaterlandsverteidigers. Wenn ein Unternehmen wie Youtube in der Türkei Geld verdiene, müsse es auch Steuern zahlen. Bisher seien 30 Millionen Lira (15,6 Millionen Euro) an Steuerschulden aufgelaufen. Youtube solle ein Büro in der Türkei aufmachen und Steuern zahlen, forderte der Minister.

Es sieht aber nicht so aus, als würde das türkische Youtube-Verbot bald fallen, im Gegenteil. Vor wenigen Tagen ließen Yildirims behördliche Internet-Aufseher weitere IP-Adressen sperren. Auch dafür machte der Minister die Leute von Google verantwortlich. Google habe die IP-Adressen, die bisher zu Youtube gehörten, anderen Bereichen des Unternehmens zugeordnet und damit die Sperren selbst verschuldet, sagte er. Google wolle damit Stimmung gegen das Youtube-Verbot machen. Einige Google-Dienste sind seit der vergangenen Woche für türkische Computer unerreichbar.

Dagegen ziehen nun Kritiker der Regierung vor Gericht. Der Internet-Verband INETD argumentiert, die zusätzlich geperrten IP-Adressen seien nicht durch das ursprüngliche Youtube-Verbot gedeckt. Zwei Professoren aus Istanbul und Ankara argumentieren in einer eigenen Klage ähnlich. Die Pressefreiheits-Organisation Reporter ohne Grenzen forderte Ankara ebenfalls auf, das Internet-Gesetz zu ändern.

Doch dazu sagte Minister Yildirim nichts. Er will Geld sehen. Einige türkische Medien interpretierten seine Stellungnahme als verdeckte Aufforderung an Google und Youtube, sich durch die Entrichtung der Steuergelder von den Beschränkungen in der Türkei freizukaufen. "Wer Steuern zahlt, der kann ausstrahlen, was er will", fasste der Nachrichtensender Habertürk die Botschaft des Ministers zusammen.

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