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Ärzte vertrösten Kassenpatienten. Foto: dpa

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Politik: Zahn um Zahn

Ärger über Verschiebung von Arztterminen

Berlin - Es handelt sich, sagen Kassenfunktionäre, um ein jährlich wiederkehrendes Ritual. Im Spätherbst stellen die Zahnärzte fest, dass das ihnen zugestandene Jahresbudget für die Behandlung gesetzlich Versicherter weitgehend ausgeschöpft ist. Um keine Leistungen umsonst erbringen zu müssen, kümmern sich die Dentisten dann vorzugsweise um ihre Privatkundschaft und verschieben Kassenpatienten bei der Terminplanung ins Folgejahr. Derartige Zwei-Klassen- Einbestellung ist Normalität im Gesundheitssystem, Termine für planbare Behandlungen seien von den Zahnärzten „schon immer mittelfristig vergeben“ worden, sagt AOK-Sprecher Udo Barske.

Dass das Ritual in diesem Jahr etwas aufgeregter ausfällt, dürfte mit der anstehenden Gesundheitsreform zusammenhängen. In der nächsten Woche passieren Arzneimittelneuordnungs- und GKV-Finanzierungsgesetz den Bundestag. Und auch wenn die Zahnärzte kaum noch eine realistische Chance auf Nachbesserung sehen, wollen sie doch, wo sie schon mitsparen müssen, politische Aufmerksamkeit. Ihre Forderungen: Abschaffung der lästigen Budgets und eine am Bedarf orientierte Leistungshonorierung. Via „Bild“ verkündet der Vorsitzende der Kassenzahnärztlichen Bundesvereinigung, dass Kassenpatienten bis Ende des Jahres in fast allen Bundesländern mit „Einschränkungen bei der zahnärztlichen Versorgung“ zu rechnen hätten. Und dass dies nicht nur den planbaren Austausch irgendwelcher Füllungen, sondern auch die Vorsorge betreffen könnte. „Da kann es mit dem Stempel für das Bonusheft schon eng werden“, so Jürgen Fedderwitz.

„Unverantwortbar“ findet der Gesundheitsexperte der Verbraucherzentralen, Stefan Etgeton, eine solche Drohkulisse. Er habe „null Verständnis für diese Aktion“, schimpft CDU-Experte Jens Spahn. Und Gesundheitsstaatssekretär Daniel Bahr (FDP) erinnert die Kassenzahnärzte an ihre Verpflichtung, Patienten „umfassend“ zu behandeln. Die Kassenzahnärztlichen Vereinigungen hätten dies nötigenfalls sicherzustellen.

Doch die wollen erst mal Druck ausüben. Seit 1993 müssen die Zahnärzte mit Kassenbudgets klarkommen, die aus ihrer Sicht hinten und vorne nicht reichen. Allein 2008 hätten sie deshalb 1,7 Millionen Patienten umsonst behandeln müssen. Leistungen in Höhe von rund 148 Millionen Euro seien ihnen nicht vergütet worden. Rund 70 Prozent aller Ausgaben fielen unter diese Deckelung, ausgenommen seien lediglich Zahnersatz und Individualprophylaxe für Kinder und Jugendliche. Und zugrunde liege den Budgets ein veralteter Leistungsbedarf von 1997.

Die Kassen dagegen verweisen darauf, dass die Ausgaben ohne Budgets „ins Uferlose“ steigen würden und der Bedarf jährlich nachverhandelt werde. Die KassenzahnärztlichenVereinigungen müssten mit dem Geld „eben verantwortlich haushalten“, sagt Ann Marini vom Spitzenverband der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV). „Da kann man nicht das komplette Jahresbudget schon in neun Monaten aufbrauchen.“

Fakt ist zudem, dass die knapp 55 000 Zahnärzte nicht zu den Geringverdienern zählen. Laut Statistischem Bundesamt liegen die Bruttoeinnahmen pro Praxis im Schnitt (Stand 2007) im Westen bei 502 000 Euro und im Osten bei 306 000 Euro. Und die Koalition hat ihren Sparbeitrag wegen der guten Konjunktur jetzt nicht nur abgemildert (2011 soll das Honorarplus 0,7 Prozent betragen), sondern auch versprochen, die Budgetregeln auf den Prüfstand zu stellen. „So, wie die Zahnärzte sich jetzt benehmen, steht das infrage“, droht Spahn. Und erinnert daran, dass man bereits „vieles im Sinne der Zahnärzte geregelt“ habe.

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