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Politik: Zahn um Zahn

Kieferorthopäden aus Osteuropa sollen Ärzteboykott brechen

So unterschiedlich sind die Sichtweisen. Für Ulla Schmidt gehören die Kieferorthopäden „mit zur bestbezahlten Berufsgruppe im deutschen Gesundheitswesen“. Deren Verband hingegen reklamiert blanke Not. Sonst, so sagt Vorstandsmitglied Werner Schupp dem Tagesspiegel, hätte in Niedersachsen nicht fast jeder vierte Kieferorthopäde seine Kassenzulassung zurückgegeben und angekündigt, nur noch Privatpatienten behandeln zu wollen. „Das macht man nicht einfach mal so, um eine Ministerin zu ärgern.“

Tatsächlich geht es schwer ums Geld. Um 20 bis 40 Prozent seien seinen niedersächsischen Kollegen die Honorare gekürzt worden, sagt Schupp. „Der Gesetzgeber wünscht eine Rationierung, und die wirkt sich eben als Qualitäts- oder als Quantitätsverlust aus.“ Sprich: Um nicht pfuschen zu müssen, behandeln die Zahnärzte weniger Patienten. Und beschränken sich auf die Zahlungskräftigen.

Die Gesundheitsministerin empört solche Logik. „Kinder und Eltern in Geiselhaft zu nehmen, damit man selber höhere Einkommen oder berufspolitische Interessen durchsetzen kann, das verlässt schon die Grenze jeder Ethik und jeden Anstands“, poltert sie. Landesministerin Ursula von der Leyen (CDU) empfahl kurzerhand, die Lücke durch Zahnärzte aus Osteuropa zu schließen. Und die Kaufmännische Krankenkasse kontaktierte gleich den tschechischen Zahnärzteverband.

Ein Vorstoß, der das Klima nicht verbessert hat. Zu Grunde liege offenbar das Denken, „wenn wir rufen, dann kommen die und lassen ihre Patienten im Stich“, wettert Schupp. Zudem gebe es mehr als 100 verschiedene Behandlungssysteme. Leyens Drohung zeuge „von einer Unwissenheit und Unverfrorenheit, die nicht mehr zu toppen ist“. Würden Zahnärzte importiert, könne man „keine Garantie für die Qualität der Behandlung übernehmen“, warnt auch die Kassenzahnärzliche Bundesvereinigung. Und Ulrich Keck vom Freien Zahnärzteverband spricht von „hanebüchenem Unsinn“. Vielleicht, so rät er, könnten Schmidt und Leyen „bei ihrer Einkaufstour auch ein paar kompetente Sozial- und Gesundheitspolitiker mit bestellen“.

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