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Politik: Zank nach Möllemann

Die FDP hat ein neues Streitthema entdeckt: den möglichen Beitritt der Türkei zur Europäischen Union

Die FDP ist in heller Aufregung. „Ich erwarte eine Richtigstellung von dir“, schreibt der Chef eines FDP-Landesverbandes einem FDP-Bundesvorstandsmitglied. Dessen Position, geht der Brief weiter, „grenzt an parteischädigendes Verhalten“. Und dann wird der Vorwurf erhoben, der bei den Liberalen als der härteste gilt: Populismus.

Die FDP hat ein neues internes Streitthema entdeckt. Es heißt Türkei. Sachlich geht es darum, ob sich die Liberalen eher als Partei profilieren wollen, die im Sinne der laizistischen Weltoffenheit für einen schnellen EU-Beitritt Ankaras eintritt, oder ob sie wegen der Nichteinhaltung von Menschenrechten und einer mangelnden demokratischen Kultur die Türkei auf längere Zeit außerhalb der EU sehen. Jene, die Letzteres propagieren, sind die Chefs von Partei und Fraktion, Guido Westerwelle und Wolfgang Gerhardt. Deren Gegner, eher die Linksliberalen, wittern hinter der ablehnenden Türkei-Politik nichts mehr und nichts weniger als eine Heranschmeiße an Roland Koch in Hessen und Christian Wulff in Niedersachsen, also an Unions-Politiker, die auch mit einem „Nein zur Türkei“ ihre Wahlen gewinnen möchten.

Dass jedes der beiden Lager das andere mit dem Vorwurf belegt, populistisch vorzugehen, verleiht dem Streit seine eigentliche Bedeutung. Das Gespenst Möllemann geht noch immer um. Anhand ihrer Haltung zur Türkei versucht die FDP zu definieren, wie viel Eigenständigkeit nötig ist, wie viel Koalitionsaussage möglich sein sollte, kurz: Wo man eigentlich steht.

„Was Wolfgang Gerhardt zurzeit treibt, ist purer Populismus, und mit dieser Art haben wir durch Möllemann ja schlechte Erfahrungen gemacht“, rügt Vorstandsmitglied Mehmet Daimagüler. Er ist nicht allein. Kein Geringerer als Alt-Bundespräsident Walter Scheel warnte Westerwelle und Gerhardt, eine lange pro-türkische Tradition der FDP und ihrer Außenminister dürfe nicht plötzlich umgeworfen werden. Westerwelle bleibt aber bei seiner Betonung der Beitrittshindernisse, nicht der Beitrittsmöglichkeit: Die Türkei entspreche „keinesfalls den Maßstäben mitteleuropäischer Rechtsstaatlichkeit“. Daimagüler rügt nun: „Wir haben immer kritisiert, dass Schröder das Thema Irak für den Wahlkampf missbraucht – nun machen wir genau das Gleiche“, wie er „Spiegel online“ sagte. Und offen drohte er denn auch gleich mit einer „Kakophonie“ widersprüchlicher Stimmen zur liberalen Türkei- Politik, mitten im Wahlkampf in Hessen und Niedersachsen.

Der Berliner Martin Matz und die Bayerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger sind weitere prominente Vertreter der Haltung, dass im Gespräch mit der Türkei die Chancen, nicht aber die Hindernisse betont werden sollten. Nun gehen aufgeregte Briefe und Positionspapiere hin und her, und die Liberalen fragen sich, ob die Türkei Anlass für eine weitere Selbstzerfleischung sein wird. „Die offene Drohung, das Scheitern der Partei in zwei Landtagswahlen in Kauf zu nehmen, ist ein Tiefpunkt der innerparteilichen Auseinandersetzung“, schrieb ein prominenter Parteifreund an Daimagüler. Populismus betrieben nicht jene, die, wie die Union, äußerst zögerlich gegenüber Ankara aufträten, sondern jene anderen, die jeden Realismus für verzichtbar hielten. Und noch etwas fand Daimagüler in der Post. Nämlich den Satz: „Ausgerechnet Wolfgang Gerhardt ein Populist – da wird es dann wirklich absurd.“

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