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Politik: „Zeigen Sie nicht mit dem Finger“

Sarkozy sieht sich bei der Fernsehdebatte heftiger Angriffe von Royal ausgesetzt

Berlin - Es war der Moment, in dem Ségolène Royal und Nicolas Sarkozy echte Emotionen zeigten. Auf so einen Augenblick hatten die 20 Millionen Zuschauer, die am Mittwochabend das TV-Duell zwischen der Sozialistin und dem Konservativen verfolgten, gewartet.

Es ging auf 23 Uhr zu, und die Debatte zwischen dem Mann und der Frau, die die Stichwahl für Frankreichs Präsidentenamt am Sonntag für sich entscheiden wollen, dauerte bereits fast zwei Stunden. Da versprach Sarkozy, er wolle sich als Präsident für ein einklagbares Recht behinderter Kinder auf Einschulung an klassischen Schulen einsetzen. Eigentlich hätte der Ex-Innenminister ja gewarnt sein müssen, als er damit ein Terrain betrat, auf dem sich vor allem Frankreichs Linke zu Hause fühlt – nämlich wenn es darum geht, ein Herz zu zeigen für diejenigen, die es schwer haben in der Gesellschaft. Obwohl er es also hätte ahnen können, was folgen sollte, zeigte sich Sarkozy doch überrascht, als Royal zum Gegenschlag ausholte: „Ich bin entsetzt über das, was ich höre“, sagte die Kandidatin. Sie erklärte, dass es doch die Konservativen gewesen seien, die den Schulen und damit auch den Behinderten Subventionen gestrichen hätten. Sarkozys Versprechungen seien der „Gipfel der politischen Unmoral“.

Da verlor auch Sarkozy, der die Attacken der in dem Umfragen zurückliegenden Sozialistin bis dahin staatsmännisch-ruhig pariert hatte, vorübergehend die Fassung. „Beruhigen Sie sich, und zeigen Sie nicht mit dem Finger“, unterbrach er Royal. „Nein, ich werde mich nicht beruhigen“, gab die Kandidatin zurück. Darauf Sarkozy: „Wer Präsident sein will, muss Ruhe an den Tag legen.“ Diese Bemerkung schien Royal noch zusätzlich anzustacheln. „Es gibt eine gesunde Wut, wenn es um das Leid von Menschen geht“, erklärte sie. Davon werde sie selbst als Staatschefin nicht abrücken. Worauf Sarkozy lakonisch antwortete: „Das kann ja heiter werden.“

In dem bühnenreifen Dialog zwischen dem Konservativen und der Sozialistin spiegelt sich das gesamte Fernsehduell wider, in dessen Verlauf Royal ihren Kontrahenten immer wieder aus der Reserve zu locken versuchte. Sarkozy spielte aber nicht mit, spulte nüchtern seine Argumente herunter und sprach Royal oft zuvorkommend mit „Madame“ an.

Einen klaren Sieger gab es am Tag nach dem Duell nicht. Die linke Zeitung „Libération“ kam zu dem Schluss, dass Royal ihre Qualitäten als „Kämpferin“ an den Tag gelegt und sich für den Elysée-Palast empfohlen habe. Das konservative Blatt „Figaro“ sah hingegen Sarkozy als Sieger. Dennoch ist das Rennen noch keineswegs gelaufen: Der im ersten Wahlgang ausgeschiedene Zentrumskandidat François Bayrou sagte nach dem Duell, er werde am Sonntag nicht für Sarkozy stimmen. Beim zweiten Wahlgang am Sonntag dürften die Zentrums-Wähler den Ausschlag geben.

Ein einklagbares Recht auf Einschulung, wie es Sarkozy bei der Debatte forderte, haben Behinderte in Frankreich übrigens bereits. Die Eltern behinderter Kinder können sich auf ein Gesetz vom Februar 2005 berufen, das eine Einschulung in der Nähe des Wohnortes garantiert.

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