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Politik: Zeit für Einigkeit

EU-Minister finden ein gemeinsames Asylverfahren – und in Berlin könnte der Zuwanderungs-Streit gelöst werden

Von Robert Birnbaum

Dass die Verhandlungen über eine gemeinsame Asylpolitik in der Europäischen Union so lange dauerten, lag auch an Bundesinnenminister Otto Schily. Er hatte immer wieder betont, dass zunächst eine Einigung über das deutsche Zuwanderungsgesetz her muss. Auf EU-Ebene gelang es aber den Innenministern bereits am Donnerstag, nach mehr als dreijährigen Verhandlungen letzte Hindernisse für eine EU-weite Asylpolitik aus dem Weg zu räumen.

Der Kompromiss gelang, weil sich die 15 „alten" Mitgliedstaaten auf eine Bestandsgarantie für ihre nationalen Regelungen einigten. Wie derzeit Deutschland würden künftig alle EU-Staaten Asylbewerber direkt zurückweisen können, wenn sie illegal aus einem als besonders sicher eingestuften Land einreisen. Nach den Angaben des für die Justiz- und Innenpolitik zuständigen Brüsseler EU-Kommissars Antonio Vitorino besteht aber nur die Möglichkeit, ohne Asylverfahren abzuschieben, wenn Flüchtlinge in Grenznähe aufgegriffen werden.

Während sich die EU-Innenminister in Luxemburg einigten, gab es auch in Berlin ein untrügliches Indiz dafür, dass sich die Zukunft des Zuwanderungsgesetzes an diesem Wochenende tatsächlich entscheiden könnte: So viel vorher herumgedröhnt haben die Beteiligten lange nicht mehr. Es müsse jetzt zum Schwur kommen, hatten Schily und Grünen-Unterhändler Volker Beck schon am Mittwoch in seltener Einigkeit erklärt, sonst seien weitere Gespräche sinnlos. Am Donnerstag folgten die Drohgebärden der Unionsseite. „Besser das bisherige Ausländerrecht als ein lascher Kompromiss“, sagte CSU-Chef Edmund Stoiber.

Tatsächlich hatten sich die Verhandler schon bei ihrem vorigen Treffen fest vorgenommen, diesmal zum Schluss zu kommen – und notfalls von Freitagnachmittag an durchzumachen bis in den Tag der Arbeit. Am Donnerstag übersandte Schily der Union die seit langem geforderten konkreten Vorschläge zum Thema Sicherheit. „Die Gespräche sind so gut vorbereitet, dass man politisch entscheiden kann - wenn man nur will“, sagt FDP-Unterhändler Max Stadler. Andere sehen das etwas skeptischer, schon mit Blick auf das Pensum: Allein das Sicherheitspaket ist fast 60 Seiten stark, hinzu kommen offene Fragen etwa nach der Finanzierung jener Integrationskurse, die alle wollen, für die aber das Geld fehlt. Wobei sich die Gruppe hier elegant als unzuständig aus der Affäre ziehen könnte: Wenn es um Finanzen geht, haben ohnehin die Länderchefs im Vermittlungsausschuss das entscheidende Wort.

So erscheint trotz allem die Prognose möglich, dass sich am Freitag und Sonnabend endgültig zeigen wird, ob ein Durchbruch gelingen kann. „Jetzt oder nie“, sagt auch Stadler. Zentraler Streitpunkt bleiben die Sicherheitsfragen. Die Bundesregierung schlägt vor, dass Ausländer abgeschoben werden können, wenn gerichtsverwertbare Tatsachen vorliegen, die die Person als gefährlichen Terroristen erscheinen lassen. Ist die Abschiebung wegen drohender Folter oder Todesstrafe unmöglich, soll der Betreffende verstärkt observiert und harschen Meldepflichten sowie Einschränkungen der Bewegungsfreiheit unterworfen werden. Von einer Sicherungshaft, wie sie Schily öffentlich ins Gespräch brachte, steht in dem Vorschlag nichts.

Das reicht der Union aber nicht. Bayerns Innenminister Günther Beckstein (CSU) forderte am Donnerstag in Berlin eine deutlich härtere Gangart gegen ausländische Extremisten in der Bundesrepublik. Wenn sich ausländische Vereine verfassungsfeindlich betätigen, müsse die Ausweisung ihrer führenden Mitglieder möglich sein.

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