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Eine Frau bittet Passanten um eine Spende.

© dpa

Zeit zum Spenden: Gutes tun hilft immer auch dem Helfenden

Glück und Geld sind ungleich verteilt. Wir geben, weil wir die Waage austarieren möchten. Im besten Fall. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Caroline Fetscher

Auf diese Münze kommt’s auch nicht mehr an – hier! Gerade haben wir für die neue Skiausrüstung einen Berg an Geld bezahlt, da fällt der Bettelnde vor der Shoppingmall ins Auge. Er hockt auf einer Decke, neben sich den struppigen Hund, dahinter blinkt Christbaumschmuck.

Also gut, zwei Euro Spende sind doch drin im Budget. Zwei Euro – und 3000 für die Skiferien? Immerhin wurde etwas gegeben, das Gewissen erleichtert, das Selbstgefühl gestärkt von einer Dosis Gutestun. Sie hilft immer auch den Helfenden.

Das Spenden, insbesondere um die Weihnachtszeit, geht auf archaische Tauschvorstellungen zurück. Ursprünglich waren die Götter Empfänger gespendeter Gaben, Opfer genannt. Gottheiten erhielten Öl, Weihrauch oder Getreide, um freundlich für die kommende Ernte zu sorgen, Sünden zu vergeben und ganz generell den Lauf der Welt zu erhalten.

Opfergaben versprachen magischen Tausch und Ausgleich. Menschen bekamen von höheren Mächten Gesundheit, Früchte, günstige Witterung, und dafür gaben sie etwas, als Dank oder Sühne.

Das ungleich Verteilte soll austariert werden

In der heutigen säkularen Spendenpraxis ist diese Dynamik der Opfergabe partiell noch präsent. Mir geht es gut, anderen nicht. Aus Dank und zur Abwehr von Unglück spende ich – etwas. Glück und Geld und Chancen sind ungleich verteilt, und den Impuls, die Waage auszutarieren, hegen viele. Zugleich spenden jedes Jahr weniger Landsleute an gemeinnützige Organisationen, während die individuellen Spender selbst höhere Summen geben – vor allem über 70-Jährige, vor allem zur Weihnachtszeit.

Widerspiegeln könnte sich darin das zunehmende Schisma zwischen Arm und Reich. Und: Jüngere beteiligen sich lieber am gezielten Crowdfunding für Projekte, als in die großen, bewährten Töpfe zu werfen: das Rote Kreuz, die Johanniter oder die Bahnhofsmission.

Weniger spenden mehr

2019 dürfte die Gesamtsumme der Spenden knapp vier Milliarden Euro erreichen, nicht viel weniger als zuvor, obwohl es 800 .000 Spender weniger gibt als im Vorjahr. Auf wohltätige Zwecke entfallen drei Viertel der Summe, auf andere, wie Sport- und Kulturvereine, die übrigen Taler. Und zum Vergleich: Hochgerechnet mehr als 18 Milliarden Euro geben die Deutschen 2019 für Weihnachtsgeschenke aus.
Wo gespendet werden muss, liegt meist etwas im Argen. Staat und Gesellschaft haben versagt, etwas Wesentliches fehlt oder wird nicht sinnvoll verteilt.

Spenden ist daher auch immer und nur Notbehelf, nicht nachhaltige Lösung.

Spenden können Beispiele klugen Handels sein

Die Willkür der Geste, mit der dem Bettler eine Münze zugeworfen wird, illustriert das, so wie die Redewendung, wonach einer „in Spendierlaune“ sei. Am schönsten, nämlich zivilisiertesten und zivilisierend, sind Spenden, die über sich hinausweisen, weil sie Inspiration liefern durch Beispiele für kluges Handeln. Als Beleg braucht es gar nicht den Hinweis auf das faszinierende Mäzenatentum für die Getty oder die Guggenheim Foundation.

Ein kleiner Spendenpalast steht oft gleich um die Ecke, und zu den sinnvollen gehören neben vielen anderen etwa Bibliotheken oder Kunst- und Kultureinrichtungen für Kinder aus bildungsfernen Milieus.

In den besten Fällen sind diese gratis, großzügig, Räume zum Erfinden, Erforschen und Experimentieren. Erstklassig sollte hier möglichst alles sein, ohne ausrangierte Reste, die noch genug für „die anderen“ scheinen.

Und wenn staatliche Stellen solche Konzepte der Sinnstiftung von Spendern aufgreifen, dann machen sie Schule, werden zu Bausteinen einer besseren Gesellschaft.

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