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Die Polizei evakuiert verängstigte Menschen aus dem Münchner Olympia-Einkaufszentrum. Bei dem Amoklauf eines Jugendlichen waren die Behörden zunächst von einem Terroranschlag ausgegangen.

© AFP

Zeiten des Terrors: Wir brauchen einen Plan gegen die Angst

Die Angst ist da und sie wird vorerst bleiben. Damit haben die Attentäter die Macht über unsere Gefühlswelt gewonnen. Gegen die Angst hilft ideologisches Abrüsten - und Pragmatik. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Christian Tretbar

Angst. Sie ist da und wird bleiben, solange der Terror sich immer neue Wege sucht. Terror, der das World Trade Center in Schutt und Asche gelegt, Züge in die Luft gesprengt, halbe Zeitungsredaktionen ausgelöscht hat. Der längst in der deutschen Provinz angekommen ist. Und der sich jetzt, erstmals in Europa, gegen eine Kirche gerichtet hat. Niemand bleibt verschont, keine Gruppe kann sich sicher fühlen.

Kopfkino. Eine Freundin, völlig frei von rassistischen Vorurteilen, bekennt: „Ich war erschrocken über mich selbst, als ein Mann südländischen Typs mit längerem Bart schnellen Schrittes auf eine Frau vor mir zukam und ich kurz nach einem Fluchtweg Ausschau hielt. Natürlich wollte er nur nach dem Weg fragen.“

So geht es derzeit vielen: Misstrauen macht sich breit. Das ist kein gutes Zeichen. Angst und Schrecken sind die Ziele des Terrors – so gesehen haben die Attentäter schon einiges erreicht. Sie haben Macht über unsere Gefühlswelt gewonnen. Damit dürfen wir uns nicht abfinden. Das gilt für jeden Einzelnen von uns, das gilt aber auch für die Politik. Sie muss versuchen, den Menschen das Gefühl der Sicherheit zurückzugeben. Das wird nicht leicht und kann dauern. Mit schnellen Forderungen ist niemandem gedient.

In die Kategorie leicht gesagt, aber schwer getan fällt der Ruf, kriminelle Flüchtlinge unverzüglich abzuschieben. Wie immer, wenn die Politik mit Emotionen arbeitet, hilft ein Blick auf die Fakten. Nach derzeitiger Gesetzeslage können kriminelle Flüchtlinge bereits abgeschoben werden. Die Hürden dafür wurden gerade erst mit dem Asylpaket II weiter abgesenkt. Trotzdem werden auch in Zukunft straffällige Flüchtlinge in Deutschland bleiben. Denn einer rigorosen Abschiebung steht das internationale Asylrecht gegenüber. Es untersagt, Menschen in Kriegsgebiete abzuschieben. Wer diesen humanitären Kern antasten will, soll es sagen. Er stellt sich damit auf eine Stufe mit der NPD.

Wir müssen wissen, wer als Flüchtling zu uns gekommen ist

Was aber hilft dann? Auf jeden Fall ideologisches Abrüsten. Notwendig ist jetzt ein pragmatischer Mix verschiedener Maßnahmen. Ja, mehr sichtbare Polizei auf der Straße verschafft ein Sicherheitsgefühl und kann potenzielle Attentäter abschrecken. Ja, die Sicherheitsbehörden müssen so ausgestattet sein, dass sie in islamistische Milieus blicken, Gefahren frühzeitig erkennen können.

Und ja, wir müssen wissen, wer als Flüchtling zu uns gekommen ist. Eine ordentliche Registrierung muss sein, auch nachträglich und sollte sie viel Kraft, Zeit und Geld kosten. Das allein wäre schon ein Beitrag zur Steigerung des Sicherheitsgefühls. Übrigens auch einer, auf den die Sicherheitskräfte schon lange warten. Viele Polizisten beklagen hinter vorgehaltener Hand, dass sie nicht wüssten, mit wem sie es zu tun haben. Kontrollverlust lautet ihre bittere Bilanz.

Kraft, Zeit und Geld ist auch im Umgang mit den Flüchtlingen selbst notwendig. Wer eine zum Teil lebensgefährliche Flucht hinter sich hat, wer Familie zurücklassen musste oder sogar verloren hat, ist oft traumatisiert. Zwar besteht zwischen seelischen Verletzungen und Terror-Taten kein unmittelbarer Zusammenhang, aber sowohl der Ansbach-Attentäter als auch der Axt-Mörder von Würzburg litten unter psychischen Störungen. Frühe Erkennung und Behandlung ist auf jeden Fall geboten. Wer es ernst meint mit dem „Wir schaffen das“-Credo, muss in Traumabehandlung und Psychologen investieren. Und das nicht nur aus Sicherheitsgründen, sondern weil das die Grundlage für eine gelungene Integration in unsere Gesellschaft ist.

Die Kanzlerin hat nach den Tagen der Gewalt lange geschwiegen. Viele haben das kritisiert und sehen darin einen Mangel an Empathie. Am Donnerstag nun will Angela Merkel vor der Bundespressekonferenz auftreten. Dann wird sich zeigen, ob die Regierungschefin neben guten Worten zur Beruhigung des verunsicherten Landes einen Plan hat. Einen, der nicht nur gut klingt, sondern auch funktioniert.

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