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Politik: Zeitzeuge Fischer

Ex-Außenminister sagt vor Gericht über Frankfurter Sponti-Szene aus – kann sich aber kaum erinnern

Frankfurt am Main - Joschka Fischer kam in seinem Ministeroutfit in die alte Heimat Frankfurt, wo er nach eigenem Bekunden mal Sponti und nicht immer zimperlich war: Er trug am Dienstag dunklen Nadelstreifen und blank polierte Schuhe. Und war offensichtlich schlecht gelaunt.

„Er pflegt seine Rolle als Misanthrop“, sagt jemand, der ihn schon kannte, als er noch Sponti war. Fischer fragt nur eine alte Weggefährtin nach ihrem Wohlbefinden, ansonsten reagiert er genervt und pampig auf Journalisten, Kameraleute und Fotografen, die pausenlos auf den Auslöser drücken, bevor sein eigentlicher Auftritt vor der 3. Zivilkammer des Frankfurter Landgerichts beginnt. Hier soll er sagen, ob sein Kumpel aus alten Frankfurter Tagen, Ralf Scheffler, zu Zeiten des Häuserkampfs als „passionierter Schläger“ galt. So nämlich hat die Zeitschrift „Focus“ den Betreiber bekannter Frankfurter Musiklokale tituliert. Und zwar vor vier Jahren in einer Bildunterschrift nach der Beerdigung des Kabarettisten Matthias Beltz. Dafür will Scheffler seit drei Jahren 15 000 Euro Schadenersatz.

Doch der Zeuge ist dem Gericht keine große Hilfe. Denn Fischer kann sich nicht erinnern. Dem Vorsitzenden Frowin Kurth erklärt er, „das Erinnerungsvermögen ist eben nicht sehr belastbar“. Er habe das schmerzlich erfahren müssen, als er vor fünf Jahren just am selben Platz saß und ebenfalls Zeuge war. Nur da war er noch Minister. Ansonsten sind die Szenen vergleichbar: Am 16. Januar 2001 hat Fischer auch von früher erzählt, als Hans-Joachim Klein wegen seiner Beteiligung am Opec-Attentat in Frankfurt angeklagt war. Fischer sollte berichten, wie es Anfang der 70er Jahre in Frankfurt so zuging. Er tat das – ohne Erinnerungslücken. Doch hinterher hatte er viel Ärger. Denn seine Vergangenheit wurde öffentlich diskutiert, und seine Aussage mündete in eine Strafanzeige wegen Falschaussage, die aber eingestellt wurde.

Fischer heute: „Wenn Scheffler den Ruf eines passionierten Schlägers verdient hätte, dann könnte ich mich daran erinnern.“ So aber könne er es nicht. Der Vorsitzende lässt das durchgehen. Fischer weiter: „Ich kann mich nur daran erinnern, dass formale Mitgliedschaften in der Spontiszene nicht üblich waren.“ Immerhin sorgt er mit der Bemerkung wenigstens einmal für gute Laune im Saal. Dann fällt er in seine Rolle als Miesepeter zurück. Bleibt genervt, stöhnt, schnauft und darf nach nicht mal einer Stunde den Gerichtssaal verlassen.

An den vielen Mikrofonen geht er schweigend vorbei.

Heike Borufka

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