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Politik: Zerstreuter Berlusconi, nuschelnder Prodi

Beim TV-Duell gegen Italiens Premier macht dessen Herausforderer Wahlkampfpunkte

Rom - Mitten an diesem späten Abend dämmert es selbst Romano Prodi: „Wir müssen über die Zukunft sprechen. Sonst gehen uns die Zuschauer ins Bett.“ Es ist 22 Uhr, Italiens Oppositionschef Prodi und Regierungschef Silvio Berlusconi sitzen schon eine Dreiviertelstunde in diesem sterilen Fernsehstudio, das die einen an eine Bio-Eisdiele, andere an einen Operationssaal oder gar an eine Leichenhalle erinnert. Wenn sie auf die Fragen der Journalisten antworten wollen, müssen die beiden Duellanten – so fügt es eine merkwürdige Sitzordnung – den Kopf zur Seite drehen; auf diese Weise reden und schauen sie bei ihrem ersten TV-Duell knapp vier Wochen vor der Parlamentswahl fast immer zielsicher an den Kameras vorbei.

Allein Prodi schafft dann und wann einen Frontalblick in die Linse, direkt auf die Zuschauer also, die zu Hause in selten gesehener Rekordzahl vor den Fernsehschirmen sitzen: 16,1 Millionen Italiener, Quote 52,13 Prozent, verfolgen das Spitzenduell. Das überschäumende Show-Talent Berlusconi findet an diesem Dienstagabend keinen Raum, sich zu entfalten; nicht einmal ein präzises, bündiges Schlusswort kriegt er hin: „Das war meine Schuld“, knurrt er anschließend, „ich bin eben ein spontaner Mensch“. Die ganze Sendung, mäkelt er, sei ein „Wachsfigurenkabinett“. Der Regierungschef meint damit die strengen Duell-Vorgaben nach amerikanischem Muster.

Romano Prodi hingegen, der trockene Professor und Bürokrat, er fühlt sich in seinem Element. Lächelnd-locker hält er sich an die Zeitvorgaben. Taktisch überholt er seinen Gegner rechts. Dem Regierungschef hat man zur Vorbereitung wohl eingeschärft, Prodi werde, wie üblich, mit Zahlen und Statistiken um sich werfen; man müsse kontern können. Nun aber ist es beinahe Berlusconi allein, der Zahl nach Zahl herunterhaspelt: um wie viel Prozent er Steuern gesenkt und Renten erhöht habe, wie viele Tausend Italiener auf seinen „großen Baustellen“ Arbeit gefunden hätten, wie viele Reformen, Dekrete und Gesetze seine Regierung verabschiedet habe – „mehr als alle anderen zuvor!“

Prodi hingegen verzichtet, anders als erwartet, weitgehend auf Zahlensalat. So hat er die Hände frei – schon optisch: Berlusconi kritzelt gesenkten Blicks auf seinen Notizzetteln herum, Prodi breitet die Arme zu weiter Geste aus –, um große Linien zu ziehen. Zwar lässt sich auch Prodi lange Zeit von Berlusconi in eine Debatte über die abgelaufene Legislaturperiode verwickeln, aber während der Ministerpräsident bei der Auflistung seiner Erfolge hängen bleibt, gelingen seinem nuschelnden Herausforderer wenigstens ein paar vage Sätze über Programm und Zukunft.

Die erste Blitzumfrage zum Resultat des Duells folgt gegen Mitternacht: 50 Prozent von 500 Befragten verleihen den Siegespreis an Prodi; 44 Prozent halten Berlusconi für überzeugender. In den Morgenzeitungen danach liegen die beiden nur mehr drei Punkte auseinander. Maurizio Costanzo, einer der ältesten Showmaster Italiens, sagt schlicht und einfach: „Offen gestanden, ich fand die Sendung langweilig.“

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