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ZERSTRITTENE GENOSSEN Der Kampf zwischen SPD und Linkspartei: Nicht allen Linken recht

Lafontaine und SPD-Spitzenpolitiker pöbeln gegeneinander – was nicht jeden Sozialdemokraten erfreut

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Berlin - Jüngere Sozialdemokraten rätseln, Politiker der Linkspartei lachen sich ins Fäustchen. Und Parteigänger beider Seiten sind sich einig: Der jüngste Schlagabtausch zwischen Spitzenpolitikern von SPD und Linkspartei nützt eigentlich nur den Sozialisten. „Mit ungläubigem Staunen“ quittierte ein SPD-Bundestagsabgeordneter deshalb am Dienstag die verbalen Attacken der vergangenen Tage.

Über Pfingsten war es zwischen den Frontmännern der SPD und deren früherem Parteichef Oskar Lafontaine zugegangen wie sonst nur am politischen Aschermittwoch. Der designierte Vorsitzende der Linken hatte Vizekanzler Franz Müntefering als „Großmaul“ mit „intellektuellen Defiziten“ beschimpft – und musste sich im Gegenzug von Umweltminister Sigmar Gabriel als „Scheinriese“ und „Helfershelfer der Taliban“ schmähen lassen. Für SPD-Chef Kurt Beck ist Lafontaine mit seiner Kritik am Afghanistan-Einsatz deutscher Soldaten gar ein Fall für die Klapsmühle: „Oskar Lafontaine scheint ja gerade völlig durchzudrehen, wenn (...) er behauptet, die Bundeswehr würde den Terror unterstützen.“

Die wechselseitigen Angriffe geben einen Vorgeschmack auf die Auseinandersetzungen im kommenden Jahr, wenn in Niedersachsen, Hessen und Hamburg gewählt wird. Mit seinem ständigen Vorwurf, die SPD habe ihre Ideale verraten, will Lafontaine die linke Protestklientel im Westen einsammeln. Seine Angriffe auf führende Sozialdemokraten wie Müntefering erscheinen dabei wohl kalkuliert. Lafontaine verfährt nach dem Muster: Je mehr sich seine Ex-Parteifreunde provozieren lassen, umso besser für ihn und seine Protestpartei.

Manch einem in der SPD wäre es lieber, die Parteioberen würden mehr Gelassenheit im Umgang mit Lafontaine und Co. an den Tag legen. Mit Verteufelung – SPD-Fraktionsvize Ludwig Stiegler nannte Lafontaine „Luzifer“ – werde man der Konkurrenz jedenfalls nicht Herr werden, hieß es. Stattdessen seien harte, aber sachliche Auseinandersetzungen gefragt.

Spitzenpolitiker der Linkspartei zeigten sich überrascht, dass die SPD-Spitzen auf Lafontaines Provokationen so spitz reagierten. Aber es findet sich hier keiner, der Lafontaine seine zugespitzten Äußerungen verübeln möchte. Dabei gibt es eigentlich nicht wenige, die ein Unbehagen verspüren wegen der Machtfülle, die dem jetzigen Fraktionsvorsitzenden der Linken nach der Wahl zum Parteichef erwächst. Doch jetzt erst mal freuen sich die Sozialisten darüber, dass die SPD „keine Strategie“ habe, was den Umgang mit der Linkspartei betreffe, wie PDS-Bundesgeschäftsführer Dietmar Bartsch sagt. „Die sind ja alle nicht fein“, sagt Bartsch über das Wortgefecht der Genossen aus beiden Lagern. Dann aber unterscheidet er: Die Sozialdemokraten müssten doch die scharfe Sprache ihres ehemaligen Vorsitzenden kennen, sie hätten sie früher doch auch geliebt. „Gut für uns“, kommentierte auch Stefan Liebich, Vizefraktionschef im Berliner Abgeordnetenhaus und einer der Wortführer der Reformer. Mögliche Diskussionen über rot-rote Koalitionen im Bund hat die Linkspartei ohnehin vertagt – für 2009 hält ein solches Bündnis keiner für realistisch.

Die Debatten, wie sich die Linkspartei strategisch aufstellen soll, laufen derweil erst an. Thomas Falkner, Ex-Chef der Strategieabteilung der PDS-Parteizentrale, hält einen weiteren „Einbruch in SPD-Potenziale“ für möglich. In einem Aufsatz für die Zeitschrift „Berliner Republik“ ermunterte er seine Genossen, darauf vorbereitet zu sein, „Kompromisse zu schließen“ und nicht zu vergessen, „breiteste gesellschaftliche Schichten im Auge zu behalten, wenn man die eigenen Ziele formuliert“. Und ganz ohne Pöbelei gegen Sozialdemokraten fügte Falkner hinzu: „Die Potenziale, die die Linkspartei hat, werden sich ohne die Erfahrungen einer Volkspartei nicht mobilisieren lassen.“

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