zum Hauptinhalt
Foto: dpa

© dpa

Politik: Zeuge der Anklage

Im Wulff-Prozess soll nun auch Glaeseker aussagen.

Hannover - Der Vorsitzende Richter wirkt sichtlich genervt. Mehrmals fährt Frank Rosenow Oberstaatsanwalt Clemens Eimterbäumer über den Mund. Das von der 2. Großen Strafkammer angestrebte schnelle Ende des Korruptionsprozesses gegen Ex-Bundespräsident Christian Wulff gerät ins Wanken. Neun neue Beweisanträge stellt die Ermittlungsbehörde am Donnerstag: Sie will sieben weitere Zeugen vernehmen und diverse Urkunden verlesen lassen. Nach mehr als dreistündiger Beratung hinter verschlossenen Türen gehen Rosenow und seine Richter-Kollegen zur Überraschung etlicher Zuhörer dann aber doch einen großen Schritt auf die Ankläger zu. Zumindest zwei weitere Zeugen will die Kammer jetzt noch laden – neben einer früheren Sekretärin des mitangeklagten Filmunternehmers David Groenewold auch Wulffs ehemaligen Vertrauten und Sprecher Olaf Glaeseker.

Das bedeutet mindestens zwei weitere Verhandlungstage in den nächsten Wochen; ein Urteil über Wulffs Oktoberfestbesuch 2008 in München ist also vor Februar nicht mehr zu erwarten. „Wir werden nicht umhinkommen, auch Herrn Glaeseker anzuhören“, erklärt der Vorsitzende zum Entsetzen Wulffs und seiner Verteidiger. Diese hatten den Antrag der Staatsanwälte auf Glaesekers Vernehmung als „Prozessverschleppung“ und Spektakel für die Presse abgetan und auf ein schnelles Ende der Beweisaufnahme gedrängt.

Nun also soll der ehemalige Wulff-Intimus, der in einem Parallelprozess ebenfalls wegen Korruption – dort allerdings rund um die umstrittene Promi-Sause „Nord-Süd-Dialog“ – angeklagt ist, nach dem Willen der Staatsanwaltschaft aus dem Nähkästchen plaudern. Und anders als die bisherigen Zeugen vielleicht doch noch brisante Details zur Übernahme von Wulffs Hotelkosten durch Groenewold und zur Einladung in das Käfer-Festzelt auf der Wiesn preisgeben. Der Ex-Staatssekretär, der inzwischen mit seinem früheren Chef gebrochen hat, war schließlich über alle Schritte Wulffs stets im Bilde. Ein Zeugnisverweigerungsrecht, weil er sich möglicherweise selbst belasten müsste, steht Glaeseker nicht mehr zu: Für ihn wären der Oktoberfest-Komplex und mögliche strafrechtliche Folgen seit Anfang dieses Jahres verjährt.

Die Staatsanwälte geben sich nach wie vor davon überzeugt, dass Wulff als direkte Gegenleistung für Groenewolds Großzügigkeit sich als niedersächsischer CDU-Ministerpräsident für dessen 18 Millionen Euro teures Filmprojekt eingesetzt und beim damaligen Siemens-Chef Peter Löscher um Sponsoring nachgesucht habe. Der preisgekrönte Streifen schildert das Wirken des Siemens-Managers John Rabe in China, der 1937 während der japanischen Besetzung mehreren hunderttausend Chinesen das Leben gerettet hatte. Wulffs Verteidiger streiten jeden Zusammenhang zwischen dem Wiesn-Besuch Ende September und dem – erfolglosen – Bittbrief an den Konzern Mitte November 2008 ab. Dazwischen nämlich habe Wulff offiziell China besucht und sei von seinen Gastgebern auf den dort als Volksheld gefeierten Rabe angesprochen worden – belegbar durch das Besuchsprotokoll des deutschen Botschafters. Erst das habe Wulffs Engagement bei Löscher bewirkt. Peter Mlodoch

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false