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Politik: Zeugen von Beslan sollen schweigen

Ehemalige Geiseln erheben Vorwürfe gegen Behörden

Bis zum Prozessbeginn darf Jurij Bagrow die russische Teilrepublik Nordossetien nicht verlassen. Offiziell wird dem in Georgien geborenen Journalisten vorgeworfen, beim Erwerb der russischen Staatsbürgerschaft nach dem Ende der Sowjetunion falsche Angaben gemacht zu haben. Journalistenorganisationen vermuten jedoch einen anderen Grund: Bagrow ist Korrespondent von Radio Liberty (RFL) und hatte in den vergangenen Tagen berichtet, wie Zeugen des Geiseldramas von Beslan Anfang September von Ermittlern massiv unter Druck gesetzt werden.

So beklagten sich mehrere ehemalige Geiseln, nach dem Sturm der Schule hätten sie Besuch von Uniformierten bekommen, die ihnen nahe gelegt hätten, sich nicht zu Details des Dramas zu äußern. Vor allem nicht zu dem Waffenlager, das die Terroristen, wie Einwohner behaupten, lange vorher in der Schule angelegt hätten, und zur Anzahl der Terroristen. Es seien nicht 32 gewesen, wie offiziell angegeben, sondern etwa 50, sagten mehrere Zeugen. Die Zahl werde gedrückt, um von Pannen bei der Verfolgung der Terroristen abzulenken. Viele von ihnen konnten nach dem chaotischen Sturm am 3. September offenbar flüchten. Auch sei eine größere Gruppe schon in der Nacht zuvor entkommen. Wegen des starken Regens hätten die Ordnungskräfte die Postenkette um die Schule abgezogen.

Nach Darstellung von RFL und der „Nowaja Gaseta“ sollte die Veranstaltung zu Beginn des Schuljahres unter Polizeischutz stattfinden. Doch die Ordnungskräfte wurden abgezogen, um eine Straße zu sichern, weil Nordossetiens Präsident Dsasochow auf einer Dienstreise war. Hinterbliebene fordern nun seinen Rücktritt. Zuvor schon hatte die Vorsitzende des Komitees der Mütter von Beslan, Susanna Dudijewa, mehr Transparenz bei den Ermittlungen, schonungslose Aufklärung und ein Treffen mit Putin gefordert. Bisher ist nicht einmal die genaue Zahl der Toten bekannt. Offiziell ist von über 400 die Rede. Viele Eltern suchen noch immer nach ihren vermissten Kindern und fürchten, sie seien von anderen Familien bestattet worden. Aus Kostengründen wurde bei der Identifizierung der entstellten Leichen auf eine DNA-Analyse verzichtet.

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