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Politik: Zivile Harmonie

Von Hans Monath, Wiesbaden Spitzenkandidaten anderer Parteien mögen mit minutenlangen Ovationen im eigenen Lager reichlich Erfahrungen haben. Für Joschka Fischer aber ist ungeteilte Zustimmung von Grünen-Delegierten im Wahlkampf offenbar noch ein neues Erlebnis.

Von Hans Monath, Wiesbaden

Spitzenkandidaten anderer Parteien mögen mit minutenlangen Ovationen im eigenen Lager reichlich Erfahrungen haben. Für Joschka Fischer aber ist ungeteilte Zustimmung von Grünen-Delegierten im Wahlkampf offenbar noch ein neues Erlebnis. „Liebe Leute, also für mich ist das echt gewöhnungsbedürftig“, verkündete der Außenminister, als der Parteitag von Wiesbaden ihn am Sonntag nach seiner Rede zum Zusammenhang von Europa- und Globalisierungspolitik laut und lange feierte. In Anspielung auf frühere heftige Attacken aus den eigenen Reihen bat der Spitzenkandidat dann kokett um Mäßigung in der Begeisterung: „Ein bisschen muss ich mich doch noch wie auf einem grünen Parteitag fühlen.“

Mit einem eindringlichen Plädoyer für die Vertiefung der Europäischen Union hatte der Spitzenkandidat zuvor die Debatte über das außen- und europapolitische Kapitel des Regierungsprogramms eröffnet. Die Frage der gerechten Gestaltung der Weltgesellschaft gehöre für ihn „zu einem Kernbereich grüner Politik“, versicherte Fischer, sie sei „leider sehr modern geblieben".

Weil nationale Antworten dabei nicht weiterführten und ohne Gerechtigkeit keine Sicherheit zu erreichen sei, müssten die Grünen in ihrer Globalisierungspolitik ganz auf ein funktionierendes Europa setzen.

Kritisch äußerte sich der Außenminister zu den amerikanischen Rüstungsanstrengungen. Wenn die reichen Industrieländer die Signale auf Aufrüstung stellten, werde „das untere Drittel der Weltgesellschaft die Rechnung dafür zu tragen haben“, warnte er. Kritik an den Rüstungsvorhaben der USA übt auch das Wahlprogramm, das ohne große öffentliche Kontroversen verabschiedet wurde. Der Wille der Delegierten zur Geschlossenheit und eine geschickte Regie ermöglichten, dass die meisten Änderungsanträge in modifizierter Form übernommen wurden – auch die des linken Parteiflügels. So heißt es nun im Programm, die Globalisierung könne zwar Chancen für alle eröffnen. Die Mehrheit der Menschen profitiere aber nicht von der Verflechtung der Wirtschaft, vielmehr gebe es ein eklatantes Wohlstandsgefälle, die ökonomische Globalisierung nütze vor allem „multinationalen Unternehmen und global playern". Gegen diese Form der Globalisierung, so beschloss der Parteitag, sei Widerstand „richtig und notwendig".

Übereinstimmung mit der Position ihres Außenministers hatten fast alle Delegierten am Vorabend auch in der Debatte über die Nahost-Politik gezeigt. Fischer warnte vor Überlegungen zum Stopp von Rüstungslieferungen nach Israel: „Die Folgewirkungen wären völlig kontraproduktiv.“ In der Diskussion über Nahostpolitik dürften die Grünen wegen der deutschen Geschichte „auch nicht auf Wählermeinungen und Stimmen schielen“, sondern müssten uneingeschränkt zum Existenzrecht Israels stehen und eine einseitige Parteinahme vermeiden.

Fischer seinerseits unterstütze einen Antrag, der sich im Vorfeld des Besuchs von US-Präsident Bush in Berlin strikt gegen eine militärische Aktion gegen den Irak richtet. Im Falle eines Angriffs der USA oder eines anderen Staates müsse die Bundesregierung dies verurteilen und sich „jeder militärischen oder zivilen Unterstützung“ solcher Operationen enthalten, fordern die Grünen.

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